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Wächter der Venus

Wächter der Venus

Titel: Wächter der Venus
Autoren: H. G. Ewers
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meinen Organismus.
    Endlich brach ich durch die Oberfläche des Sandes. Sofort wandte ich meinen Kopf, der große Ähnlichkeit mit dem Kopf einer irdischen Riesenschildkröte besaß, in die Richtung, in der die kümmerlichen Überreste des Landungsbootes im Sand versunken sein mußten. Verwundert stellte ich fest, daß ich schon wieder zu so trivialen Überlegungen fähig war wie der, auf welche Art und Weise man die verborgene Sprengladung gezündet haben konnte.
    Ein Zeitzünder schien auszuscheiden, denn dann hätte das Risiko bestanden, daß ich zum Zeitpunkt der Explosion noch im Innern des Bootes weilte und umkam, wodurch meine Mission gescheitert wäre, bevor sie richtig begonnen hätte.
    Demnach kam nur eine Fernzündung von der SKANDERBEG aus in Frage. Die Kosmopsychologen konnten über das Gehirn meines richtigen Körpers erfahren, was ich auf der Venus tat, woran ich dachte und was ich plante.
    Ob meine Gedanken an das Beiboot als letzte Zuflucht sie vielleicht erst zu ihrem Vorgehen veranlaßt hatte?
    Aber es gab noch eine dritte Möglichkeit, und als ich an sie dachte, glaubte ich zu fühlen, wie mir eiskalte Schauer den Rücken hinabrannen – obwohl ein Venusier nach unseren Erkenntnissen dazu überhaupt nicht in der Lage sein durfte.
    Wer konnte denn überhaupt sagen, ob die Plattform MOBY DICK noch existierte, nachdem ihre erste Besatzung beim Eintreffen der Ablösung gar nicht mehr vorhanden gewesen war und nachdem auch die Ablösungsmannschaft sich nicht mehr gemeldet hatte?
    Wir wußten nur eines mit Sicherheit: Venusische Intelligenzwesen mit der Fähigkeit der Molekularverformung waren in menschlicher Gestalt als die abgelöste erste Besatzung aufgetreten und hatten ihre Rolle so hervorragend gespielt, daß der Kommandant der LEONOW keinen Verdacht schöpfte und sie zur Erde zurückbrachte, wo sie dann erst auffielen, als sie mit ihren großangelegten Sabotageoperationen begannen.
    Möglicherweise hatten sie MOBY DICK zerstört – und möglicherweise auch mein Landungsboot …
     
    *
     
    Nach den letzten Sondenmessungen sollte das Temperaturmittel auf der Venus-Tagseite 185 Grad Celsius betragen.
    Mein Analysator zeigte jedoch nur knapp siebzig Grad Celsius an. Mir wurde klar, daß die Sonden von der aufsteigenden Heißluft irregeführt worden waren. Bei der Rotationsdauer von 85 Tagen Erdzeit mußte die Atmosphäre der Nachtseite naturgemäß bis unter minus 100 Grad Celsius abkühlen und nach unten sinken, wo sie von dem Sog der Tagseitenatmosphäre erfaßt und mitgerissen wurde. Auf der Tagseite füllte sie dann den Raum aus, den die aufsteigende erhitzte Luft hinterließ, erhitzte sich selbst und stieg ebenfalls nach oben. Am Rande zum Weltraum geriet sie dann in den Sog der Nachtseite, wurde dort abgekühlt und fiel nach unten, um erneut in den ewigen Kreislauf einbezogen zu werden.
    Noch vor zweihundert Jahren hatten die irdischen Biologen und Chemiker angenommen, daß auf der Oberfläche einer solchen Höllenwelt kein Leben entstehen konnte. So engstirnig war damals noch das Denken ausgerichtet gewesen. Inzwischen wußte man, daß die dichte Atmosphäre aus Kohlenwasserstoffen in Verbindung mit der ständigen kräftigen Durchmischung ein einziges riesiges biochemisches Laboratorium darstellte, in dem es keine Stagnation gab, sondern einen nicht abreißenden Zyklus von chemischen und biologischen Prozessen und fortwährenden Mutationen.
    Dennoch hatte uns das erste Auftreten venusischer Intelligenzen einen gehörigen Schock versetzt, glaubten wir doch bis vor kurzem immer noch, daß die Evolution vom ersten belebten Molekülverband bis zum intelligenten, seine Umwelt verstehenden Wesen eine lange Zeit der Stabilität der Verhältnisse voraussetzte.
    Die Meinung vieler Science-Fiction-Autoren, es könne Lebewesen geben, die ihre Molekularstruktur geistig kontrollieren und verändern konnten, hatten wir stets weit von uns gewiesen, wenn wir uns überhaupt mit dem vermeintlichen Unsinn beschäftigten. Vielleicht lag das daran, daß die Schreiber derartiger Dinge sich nur mit dem Vorhandensein ihrer fiktiven Produkte begnügten und sich nicht der Mühe unterzogen, ihre Entstehung wissenschaftlich zu begründen. Ernsthafte Wissenschaftler aber pflegten sich nicht mit reinen Spekulationen abzugeben, sie gingen ein Problem stets von der Wurzel an, bevor sie die Blätter beschrieben.
    Nun, inzwischen beherrschte mein menschlicher Geist ein solches Monstrum, das seine Molekülverbände nach
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