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Wackelkontakte - Kein Sex geht gar nicht

Wackelkontakte - Kein Sex geht gar nicht

Titel: Wackelkontakte - Kein Sex geht gar nicht
Autoren: Leipert Sabine
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Hunger und der misslungene Umzug hatten meine Geduld ohnehin schon aufs äußerste strapaziert, und der griesgrämige Kioskbesitzer trug nicht gerade viel dazu bei, meine Laune zu bessern. Immerhin war es mir damit gelungen, ihn hinter seiner Zeitung hervorzulocken. Er war genauso, wie es seine Stimme vermuten ließ – groß, alt, mit Halbglatze, und sein dicker Bauch wölbte sich weit über den viel zu eng geschnallten Gürtel seiner Cordhose, als er sich schwerfällig aus dem Sessel hievte.
    »Jetzt aber raus hier, freche Göre!«
    Diesmal widersprach ich ihm nicht, sondern verließ so schnell wie möglich den Laden. Ich hörte noch, wie er hinter mir die Ladentür zweimal zuschloss, und lief zurück zum LKW. Dort traf ich die letzten Vorbereitungen für mein unfreiwilliges Survivaltraining. Ich machte es mir im Führerhäuschen so gemütlich, wie man es sich auf einer durchgesessenen Sitzbank und einem riesigen Schaltknüppel nur machen konnte, und rief Özlem aus dem Fenster zu: »Alles klar, ich glaube, ich habe alles. Du kannst die Laderampe wieder hochfahren.«
    »Ist gut. Wie denn?«
    »Was?«
    »Wie geht die Laderampe denn zu?«
    »Aber das musst du doch wissen. Ich meine, du hast sie doch auch geöffnet.«
    Das Schweigen am anderen Ende des LKWs war deutlich zu hören. Vermutlich war Özlem nur zufällig an die Schalter gekommen, als sie sich gegen den LKW gelehnt hatte. So etwas passierte ihr ständig. Mit dieser dunklen Vorahnung ging ich nach hinten, wo Özlem vergeblich nach Schaltern oder Knöpfen suchte, die für so ein aufwendiges Vorhaben wie das Schließen einer Laderampe in Frage kommen könnten. Genervt zeigte ich ihr eben jene Hebel, die ich vor ein paar Minuten schon einmal erfolglos bearbeitet hatte.
    »Könnte es sein, dass du hier gegengekommen bist, als sich dieses Tor dort hinter dir auf magische Weise geöffnet hat?«
    Özlem sah mich mit ihren großen dunklen Augen unschuldig an und zuckte ahnungslos mit den Schultern. Und nachdem ich erneut einige Minuten ohne Ergebnis die beiden Hebel bedient hatte und der LKW mir nun nicht mal mehr über Zischlaute mitteilte, ob ich nah dran war oder nicht, gab ich es auf. Ich setzte mich auf die Laderampe und rauchte eine Zigarette, während ich meinen Lagebericht aktualisierte.
    Erstens: Die Lage hatte sich durch das erfolgreiche Auffinden meiner Decke nur kurzfristig entspannt, war jedoch bei genauerem Hinsehen jetzt eher schlechter.
    Zweitens: Tatsache war, dass ich es mir nun nicht mal mehr im Führerhäuschen gemütlich machen konnte, da sich sonst jeder, der vorbeikam, problemlos an meinen Sachen bedienen könnte.
    Drittens: Ich sollte mich mit dem Gedanken anfreunden, die ganze Nacht wach zu bleiben, um meine Ikea-Regale, das Ikea-Sofa und die wunderbaren, von meiner Großmutter geerbten Fünfziger-Jahre-Cocktail-Sessel vor Silvesterraketen, Plünderern und Besoffenen zu beschützen.
    Während ich zu dem Ergebnis kam, dass ich eine verdammt kalte und ungemütliche Nacht vor mir hatte, räusperte Özlem sich vorsichtig. »Ähm, also ich muss dann jetzt leider nach Hause. Mein Vater ist bestimmt schon total sauer. Sei mir nicht böse, ja.«
    »Ach was«, sagte ich. Özlem konnte man ohnehin nicht böse sein. Wahrscheinlich lag es daran, dass sie mit ihrer zierlichen Gestalt und den zum Zopf gebundenen schwarzen Haaren selbst mit siebenundzwanzig noch wie ein kleines Mädchen wirkte. Leider benahm sie sich oft auch so, und ich wünschte mir innerlich, sie würde durch ihre Hilfsbereitschaft nicht ständig alles nur noch schlimmer machen. »Bis morgen dann.«

    Eine Stunde später war ich mir sicher, dass ich diese Nacht nicht überleben würde. Warum hatten wir ausgerechnet dieses Jahr den kältesten Winter seit Menschengedenken? Warum hatte mein verdammter zukünftiger Nachbar nicht berücksichtigt, dass man sich bei Umzügen schon mal zwei Stunden verspäten konnte? Und warum hatte der blöde Verkäufer in dem Outdoorladen gelogen, als er mir versicherte, der Schlafsack sei vor allem bei Nordpol-Expeditionen besonders beliebt?!
    Ein vertrautes Ploppen unterbrach meinen negativen Gedankenfluss. Es war unverkennbar das Geräusch einer geköpften Sektflasche.
    »Na, was ist das denn hier für eine Trauerveranstaltung? So kann man doch nicht das neue Jahr begrüßen!« Tina streckte mir wie selbstverständlich einen Dom Pérignon entgegen. Scheinbar waren auf ihrer Promi-Party doch nicht so viele Möchtegernstars aufgekreuzt, sonst wäre sie nicht
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