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Wackelkontakte - Kein Sex geht gar nicht

Wackelkontakte - Kein Sex geht gar nicht

Titel: Wackelkontakte - Kein Sex geht gar nicht
Autoren: Leipert Sabine
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und mich aus dem Schlamassel rettete. Ich sprang von der Ladefläche herunter und schloss sie enthusiastischer, als es angebracht war, in die Arme. Auch Tina hatte angesichts unserer aufgelösten Freundin Klaus schnell vergessen. Özlem konnte vor lauter Schluchzen gar nicht sprechen, aber nachdem wir ihr etwas Champagner eingeflößt hatten, brachte sie allmählich zusammenhängende Sätze zustande.
    »Mein Vater will mich mit einem Türken verheiraten«, stammelte sie.
    Tina und ich schrien gleichzeitig entsetzt auf: »Waaaas?«
    Wir sahen uns hilflos an, jede von uns versuchte, die andere durch Blicke dazu zu bringen, doch endlich die rettende Formel von sich zu geben. Und nachdem diese stumme Kommunikation eine Weile ergebnislos verlaufen war, warf ich schließlich ziemlich lahm ein: »Aber du hast doch jetzt die deutsche Staatsbürgerschaft.«
    »Das ist es ja eben!«
    Jetzt verstand ich überhaupt nichts mehr. Özlem beruhigte sich langsam und versuchte, uns den schwierigen Sachverhalt zu erklären. Das tat sie wie immer kurz und knapp. Ich führte ihre auf Fakten reduzierten Aussagen auf das Jura-Studium zurück. Später im Beruf würde diese Konzentration auf das Wesentliche sicherlich von großem Vorteil sein. Auf privater Ebene führte sie dagegen oft zu Verständigungsschwierigkeiten.
    »Der Sohn von einem Freund meines Vaters ist verhaftet worden, weil er angeblich mit der PKK zusammengearbeitet hat«, erklärte Özlem. Damit war ihrer Meinung nach alles gesagt. Die Zusammenhänge musste man sich selbst erschließen, was mein juristisch weniger geschultes Gehirn allerdings ein bisschen überforderte.
    »Dein Vater will, dass du einen kurdischen Terroristen heiratest?« Tina verstand es dagegen bestens, die komplexesten Angelegenheiten in das Format einer »Bild«-Zeitungsschlagzeile zu bringen. Ich warf ihr einen mahnenden Blick zu.
    »Nein, der Typ ist kein Kurde und kein Terrorist, das ist ja das Problem«, schluchzte Özlem.
    Tina wollte schon wieder etwas einwenden, und ich brachte sie mit einem weiteren Blick zum Schweigen. Was ein Nichtkurde mit potentiellen terroristischen Neigungen mit den Hochzeitsplänen von Özlems Vater zu tun hatte, konnte man später immer noch herausfinden. Aber Özlem bemerkte unsere verständnislosen Blicke.
    »Ihr versteht aber auch gar nichts. Mein Vater will ihn jetzt nach Deutschland holen, und ich soll ihm dabei helfen. Außerdem meint er, es sei eh Zeit, dass ich heirate.«
    Endlich mal ein paar Fakten, mit denen auch ich etwas anfangen konnte. Özlem sollte den Nichtkurden also heiraten, damit er in Deutschland bleiben durfte.
    »Und was wird dann aus Matthias?« Tina hatte mal wieder sehr viel Feingefühl bewiesen, denn bei diesem Namen brach Özlem erneut in Tränen aus. Ich starrte Tina ärgerlich an, aber sie zuckte nur mit den Schultern. Matthias war seit drei Jahren Özlems Freund. Sie hatten damals zusammen für ihre Jura-Klausuren gelernt, und während Özlems Eltern noch glaubten, dass ihre fleißige Tochter mit Matthias brav dicke Paragraphenbücher wälzte, wälzten diese sich stattdessen lieber durch fremde Betten. Denn nach Hause traute Özlem sich mit ihrem Lover nicht, und so mussten abwechselnd Tinas oder meine Wohnung für ihre heimlichen Treffen herhalten.
    Ich legte meinen Arm um Özlems Schultern, und Tina steckte ihr eine angezündete Zigarette in den Mund und reichte ihr einen Becher mit Champagner. Das war ihre Art, Freundinnen zu trösten, und sie war in der Regel sehr wirksam. Auch diesmal hatte sich Özlem bald beruhigt und leerte den Becher in einem Zug. Ich schaute auf die Uhr. Es war kurz vor zwölf. Wir mussten uns ranhalten, wenn wir noch so etwas wie Partystimmung aufkommen lassen wollten.
    »Wisst ihr was, jetzt lasst uns doch einfach diese ganzen bescheuerten Männergeschichten vergessen und auf das neue Jahr anstoßen.« Einen kurzen Moment lang dachte ich, ich hätte das mit den Männergeschichten lieber nicht sagen sollen, aber Tina war viel zu sehr damit beschäftigt, die zweite Champagnerflasche zu öffnen, als dass sie es auf Klaus oder Köppi oder wen auch immer bezog.
    Um uns herum ging das Feuerwerk allmählich in seine heiße Phase über. Für jeden Normalsterblichen war dies der Zeitpunkt, an dem er innehielt, um diesen einzigartigen Moment wie jedes Jahr mit einer Mischung aus Angst, Freude und Sekt bewusst zu erleben. Bei uns brach dagegen wie jedes Jahr Hektik aus, damit eben genau dieser Moment einzigartig sein
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