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Wach auf, wenn du dich traust

Wach auf, wenn du dich traust

Titel: Wach auf, wenn du dich traust
Autoren: Angela Mohr
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man was verstand. Hauptsache, man bekam ein Gefühl für die Sprache.
    Das wenigstens behauptete Lissy. Vielleicht sagte sie es aber auch nur, um Jenny zu trösten, die einfach nicht einsehen wollte, warum es so was wie unregelmäßige Verben geben musste.
    Deborah starrte nachdenklich auf die Gleise.
    »Deb, was ist heute mit dir? Du guckst wie ein Auto, nur nicht so schnell.« Jenny grinste ihre Freundin an.
    »Haha. Echt witzig.« Deborah verdrehte die Augen.
    »Bist du etwa verknallt und hast mir fatalerweise noch nichts davon erzählt?«, fragte Jenny.
    Deborah kniff die Augen zusammen und lächelte breit. »Ich nicht«, sagte sie mit Betonung auf dem »ich«.
    »Hör bloß auf«, sagte Jenny, »kein Wort mehr über das Thema, das hast du versprochen!«
    »Jaja, schon gut«, gab Debbie zurück und winkte ab. »Kein Wort mehr über – wie hieß er doch gleich?«
    Jenny warf Debbie einen bohrenden Blick zu und versuchte spielerisch, ihre Hände um Debbies Hals zu legen, doch die schlug sie lachend weg.
    »Noch ein Wort, dann bist du fällig!« Jenny zwickte Debbie in die Seite. Debbie quiekte laut auf, sodass sich einige Leute nach ihnen umdrehten.
    »Okay, okay, ich erwähne seinen Namen nie wieder!«
    Jenny ließ von Debbie ab und seufzte. Tizian. Tizian hatte letzte Woche die Rothaarige geknutscht – dabei hatten sie sich doch immer so gut verstanden! Wer war diese Schnepfe überhaupt, dass sie sich so einfach an ihn ranmachte?
    Bis eben war Jenny froh gewesen, mal ein paar Stunden an etwas anderes denken zu können – aber jetzt war alles wieder da. Mist.
    »Schon gut!«, lachte Debbie. »Ich will sowieso nur endlich wissen, ob du mitkommst oder nicht.«
    »Warum hast du es denn so eilig? Ist dir Frau Eisner auf den Fersen oder was?«
    Deborah stieß hörbar Luft aus. »Haha«, erwiderte sie angesäuert.
    Frau Eisner war ihre Sportlehrerin und machte ihrem Namen alle Ehre. Niemand konnte sie wirklich ausstehen, nicht einmal die Sportfreaks in ihrer Stufe. Alles, was Spaß machte, schien dieser Frau potenziell verdächtig. Deborah, die an Bauch und Hüften einige überflüssige Pfunde mit sich herumtrug, hatte es nicht leicht bei ihr.
    »Ich hab’s gar nicht eilig«, sagte Deborah. »Aber wenn wir uns nicht bald anmelden, gibt’s vielleicht keine freien Plätze mehr. Und ich bleibe auf keinen Fall die ganzen Ferien zu Hause! Das gebe ich mir ganz bestimmt nicht.«
    »Und wenn ich nicht mitkommen will?«, fragte Jenny.
    »Jenny, bitte«, bettelte Debbie und griff nach Jennys Hand, »ohne dich will ich da nicht hin! Bitte, bitte?«
    Jenny drückte Debbies Hand. »Ich würde ja schon gerne mit. Es ist nur…« Sie schluckte. Jenny hasste es, dieses altvertraute Thema anschneiden zu müssen.
    Zum Glück fuhr gerade der Zug ein und machte einen ohrenbetäubenden Lärm.
    »Es ist doch sonst echt nichts los in dem Kaff«, sagte Debbie, während sie sich durch die Türen in den Zug zwängten, »das hast du ja mittlerweile selbst mitgekriegt. Burghausen-Oberhof, das sagt doch alles! Was willst du denn da schon eine Woche ganz alleine reißen, wenn fast alle auf der Freizeit sind?«
    Jenny war vor zwei Jahren mit ihren Eltern in den kleinen Ort gezogen. Lisgard und Joachim hatten dort ein altes Fachwerkhaus gekauft. Na ja, was hieß Haus. Ruine traf es besser. Aber alle drei, auch Jenny, hatten sich sofort in ihr neues, wenn auch renovierungsbedürftiges Zuhause verliebt.
    Und seit zwei Jahren lebten sie nun auf einer Dauerbaustelle. Lissy und Joachim waren zwar handwerklich ziemlich geschickt, doch das brachte weder neue Ziegel aufs Dach noch die nicht vorhandenen Fliesen an die Wand des Badezimmers. Dazu brauchte es Geld. Und Geld war genau das, was sie nicht hatten.
    Trotzdem störten Jenny weder der provisorische Anstrich im Badezimmer noch der Balken im Treppenhaus, der einen herunterkommenden Boden aus dem ersten Stock abstützte, noch die Tatsache, dass sie, um von der Haustür nach draußen zu kommen, über wacklige Bretter balancieren musste. Auch, dass es im Winter nur zwei Zimmer gab, die einigermaßen warm wurden, war zu ertragen, denn eines davon war ihres – das allererste Zimmer, das komplett fertig geworden war – und wunderschön, wie sie fand. Manchmal vermisste Jenny die Stadt, in der sie zuvor gewohnt hatten, aber das wurde seltener. Wenn sie frühmorgens erwachte und die Sonne einen hellen Lichtstrahl quer über den Holzboden warf, sodass er golden aufleuchtete, war sie sich sicher, dass sie
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