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Wach auf, wenn du dich traust

Wach auf, wenn du dich traust

Titel: Wach auf, wenn du dich traust
Autoren: Angela Mohr
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vielleicht«, sagte sie.
    »Oder schwarz«, meinte Jenny.
    »Und was ist mit deinen Sachen?«, fragte Deborah, während sie den Vorhang der Umkleide beiseiteschob, und deutete auf Jennys Arm, an dem drei Bügel hingen.
    »Ich kann einfach keine Kleider anziehen«, sagte Jenny geknickt. »Hängen an mir runter wie Müllsäcke. Ich hab eben nicht so tolle Kurven wie du.«
    Sie lächelte ergeben und hängte die verschmähten Teile an eine Stange. »Werde wohl wieder eine Hose nehmen müssen.«
    Sie verließen die Umkleidekabine und mischten sich zurück ins Gedränge, um nach ihrer nächsten Beute zu fahnden.
    Etwas mehr als eine Stunde Fahrtzeit hatten sie bis in die nächste Stadt, da musste sich der Ausflug lohnen. Jenny hielt Ausschau nach roten Preisschildern. In ihrem Geldbeutel befanden sich noch fünfunddreißig Euro, da musste sie wohl oder übel nach reduzierten Sachen gucken. Es war eine Kunst, sich damit komplett neu einzukleiden, aber im Schnäppchenjagen war sie unschlagbar. Bisher hatte sie noch immer etwas nach Hause gebracht.
    Als sie eine halbe Stunde später mit Tüten bewaffnet den Laden verließen, befanden sich zwei neue Hosen und ein Shirt in Jennys Besitz. Sogar für eine Mütze hatte es noch gereicht. Für die hatte sie fast nichts bezahlt, dabei war nur eine Naht aufgegangen. Zwei Zentimeter, mehr nicht. Das schaffte Jenny selbst.
    Größere Ausbesserungen machte immer ihre Mutter. Obwohl sie eigentlich Bildhauerin war, war Lissy an der Nähmaschine mindestens eine ebenso große Künstlerin, fand Jenny.
    »Also, wenn ich meine Eltern beim Vornamen nennen würde, die würden mich umbringen«, hatte Debbie gesagt, als Deborah das erste Mal bei Jenny zu Hause war. »Echt komisch, wie sich das anhört! ›Peter, reichst du mir mal die Butter?‹ – ›Klar bin ich um elf zu Hause, Sabine.‹« Deborah hatte sich richtig geschüttelt.
    »Und bei meinen Eltern hört es sich nicht komisch an?«, hatte Jenny gefragt. Sie fand Debbies Reaktion ein bisschen übertrieben. Wenn sie ihre Eltern mit »Mama« und »Papa« anredete, wussten Lissy und Joachim doch sofort, dass irgendwas im Busch war.
    »Nee, die sind doch sowieso viel lockerer«, hatte Debbie schlicht geantwortet und mit den Achseln gezuckt.
    Jenny schlenderte mit Debbie langsam durch die um diese Zeit zum Glück recht leere Fußgängerzone.
    Vor dem Schaufenster eines Sportgeschäftes blieb Debbie stehen und schaute sich die ausgestellten Wanderschuhe und das Outdoor-Equipment an.
    »Was ist los?«, fragte Jenny. »Willst du Mitglied im Alpenverein werden oder was?«
    »Sehr witzig«, gab Debbie frostig zurück. »Sag mir lieber, ob du jetzt eigentlich mitkommst.«
    »Wohin?«
    Deborah verdrehte die Augen. Typische Deborah-Marotte. Das tat sie nicht nur, wenn sie etwas nervte. Es gab ungefähr eine Million Dinge, die Debbie dazu brachten, mit den Augen zu rollen.
    »Auf die Freizeit natürlich, an den Wolfsbacher Stausee.«
    »Ach ja, die Freizeit«, erwiderte Jenny und sah auf die Uhr. »Oh shit, wenn wir den früheren Zug noch erwischen wollen, müssen wir rennen!«
    »Mist, echt?! Wie lange haben wir noch?«
    »Sieben Minuten«, gab Jenny zurück.
    »Das schaffen wir nie!«, lamentierte Debbie. »Oh Mann, dabei muss ich heute noch Hausaufgaben machen! Meine Mutter reißt mir den Kopf ab! Ohne Hausaufgaben kein Fernsehen. Das ist jetzt das Neueste! Als wäre ich ein Kleinkind!«
    »Na dann komm jetzt, wir schaffen das schon! Sonst müssen wir eine Stunde auf den nächsten warten!«
    »Bloß nicht!«, rief Debbie.
    »Stopf die Tüten in deinen Rucksack«, schlug Jenny vor, »dann hast du die Arme frei!«
    Debbie nickte. Noch während sie ihren Rucksack wieder zuzog, stürmten sie los und erreichten mit roten Köpfen den Bahnhof. Sie glotzten ungläubig auf die Anzeigetafel.
    »Na super«, keuchte Debbie, »ist doch immer dasselbe.« Der Zug hatte zehn Minuten Verspätung.
    Jenny grinste. »Dann können wir ja jetzt langsam machen, ist doch auch nicht schlecht.«
    »Na toll!« Deborah ließ übertrieben die Zunge heraushängen. »Hoffentlich wartet der Bus dann auch!«
    Die beiden schlenderten zum Gleis 7.
    »Hast du schon Französisch gelernt?«, fragte Jenny. Sie fand, Französisch war die schönste Sprache überhaupt. Wenn Gott vor das Sprechen nicht Vokabelpauken und Grammatik gesetzt hätte. Am liebsten wäre es ihr gewesen, sich in den Französischstunden einfach zurückzulehnen und dem melodiösen Singsang zuzuhören. War doch egal, ob
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