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Vulkans Hammer

Vulkans Hammer

Titel: Vulkans Hammer
Autoren: Philip K. Dick
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tragischen Stunde mein persönliches Mitgefühl aussprechen.
    Verdammt, dachte er. Ich kann das nicht; ich konnte es noch nie. Ich werde sie persönlich aufsuchen müssen – ich kann so etwas nicht schreiben. In letzter Zeit hat es zu viele gegeben. Mehr Tote als ich ertragen kann. Ich bin nicht V ulkan 3 . Ich kann nicht schweigend darüber hinweggehen.
    Und dabei ist es nicht mal in meiner Region passiert. Der Mann war nicht mal mein Untergebener.
    Er schaltete die Verbindung zu seinem Subdirektor durch und sagte: »Übernehmen Sie für den Rest des Tages. Ich mache Feierabend; ich fühle mich nicht besonders wohl.«
    »Sehr bedauerlich, Sir«, sagte Peter Allison. Aber die Freude war offenkundig, die Befriedigung, aus den Kulissen zu treten und eine bedeutendere Rolle zu übernehmen, wenn auch nur für einen Augenblick.
    Du willst meinen Job haben, dachte Barris, als er seinen Schreibtisch abschloß. Du hast es darauf abgesehen, wie ich auf den von Dill. Weiter und weiter nach oben auf der Leiter zur Spitze.
    Er notierte sich Mrs. Pitts Adresse, steckte den Zettel in seine Hemdtasche und verließ das Büro, so schnell er konnte, froh, entronnen zu sein. Froh, eine Entschuldigung zur Flucht aus dieser bedrückenden Atmosphäre gefunden zu haben.

    Kapitel Zwei

    Vor der großen Tafel stehend fragte Agnes Parker: »Woran denken wir bei dem Jahr 1992?« Sie blickte sich freundlich in der Klasse um.
    »Bei dem Jahr 1992 denken wir an die Beendigung des Atomkriegs und an den Beginn der Dekade der internationalen Regulierung«, sagte Peter Thomas, einer ihrer besten Schüler.
    »Eintracht wurde geschaffen«, ergänzte Patricia Edwards. »Rationale Weltordnung.«
    Mrs. Parker machte sich eine Notiz. »Richtig.« Die aufmerksame Reaktion der Kinder erfüllte sie mit Stolz. »Und jetzt kann mir vielleicht einer etwas über die Lissabonner Gesetze von 1993 sagen.«
    Im Klassenzimmer war es still. Ein paar Schüler rutschten auf ihren Sitzen hin und her. Draußen drückte die warme Juniluft gegen die Fenster. Eine fette Drossel hüpfte von einem Ast und lauerte auf Würmer. Das Laub raschelte träge.
    »Das war, als V ulkan 3 gebaut wurde«, sagte Hans Stein.
    Mrs. Parker lächelte.
    »Vulkan 3 wurde lange vorher gebaut; V ulkan 3 wurde während des Krieges gebaut; V ulkan 1 1985, Vulkan 3 1990. Sie hatten schon vor dem Krieg in der Mitte des Jahrhunderts Computer. Die V ulkan Serie wurde von Otto Jordan entwikkelt, der in der Frühphase des Krieges mit Nathaniel Greenstreet zusammen für Westinghouse arbeitete ...«
    Mrs. Parkers Stimme verlor sich in einem Gähnen. Sie nahm sich mit einem Ruck zusammen; dies war nicht der richtige Augenblick zum Dösen. Es hieß, Generaldirektor Jason Dill und sein Stab hielten sich irgendwo in der Schule auf, um die Erziehungsideologie zu überprüfen. V ulkan 3 hatte gerüchteweise Erkundigungen über die Schulsysteme eingezogen; er schien sich für die verschiedenen Orientierungs- und Wertkonzepte zu interessieren, die zur Zeit in den Grundorientierungsprogrammen für Schüler formuliert wurden. Es war schließlich Aufgabe der Schulen, insbesondere der Mittelschu len, die Jugend der Welt mit der richtigen Einstellung auszustatten. Wozu waren Schulen sonst gut!
    »Was«, wiederholte Mrs. Parker, »waren die Lissabonner Gesetze von 1993? Weiß das niemand? Ich schäme mich für euch, wenn ihr euch nicht einmal soweit anstrengen könnt, daß ihr die wohl wichtigsten Tatsachen behaltet, die ihr in eurer ganzen Schulzeit lernt. Wenn es nach euch ginge, würdet ihr wohl nur diese Comicbücher lesen, aus denen ihr Addieren und Subtrahieren und andere berufliche Fähigkeiten lernt.« Sie tippte heftig mit der Schuhspitze auf den Boden. »Na? Bekomme ich eine Antwort?«
    Einen Augenblick lang gab es keine Reaktion. Die Reihen der Gesichter blieben leer. Dann unfaßlich: »Die Lissabonner Gesetze haben Gott entthront«, ertönte eine schrille Kinderstimme von ganz hinten. Eine Mädchenstimme, scharf und durchdringend.
    Mrs. Parker erwachte aus ihrer Schläfrigkeit; sie blinzelte verblüfft. »Wer war das?« wollte sie wissen. In der Klasse summte es. Köpfe drehten sich fragend nach hinten. »Wer war das?«
    »Es war Jeannie Baker!« schrie ein Junge.
    »War es nicht! Es war Dorothy!«
    Mrs. Parker schritt hastig an den Bänken der Kinder vorbei den Mittelgang hinunter. »Die Lissabonner Gesetze von 1993«, erklärte sie scharf, »waren die bedeutendsten der vergangenen fünfhundert Jahre.« Sie
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