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VT10 - Tod im Blut

VT10 - Tod im Blut

Titel: VT10 - Tod im Blut
Autoren: Claudia Kern und Stephanie Seidel
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genug, um damit zu experimentieren, anstatt untätig zu warten, bis sie sich erholt?
    Aksela schüttelte unwillig den Kopf. Was waren das für Gedanken? War Ihre Verzweiflung denn wirklich schon so groß, dass sie den Tod über das Leben stellte?
    Natürlich würde sie alles tun, um die Prinzessin zu retten; das verlangte schon der Eid der Heiler, den sie abgelegt hatte, und das war auch ihre tiefste Überzeugung. Sie würde eben warten müssen, bis Marie außer Lebensgefahr war. Auch wenn das vielleicht den Tod weiterer Menschen bedeutete…
    ***
    Einige Tage zuvor, im Dorf der Banzulu
    Adeyemo war ein selbstbewusster Mann; trotzdem wurden seine Schritte immer kürzer und zögernder, während er auf die beiden uralten Schirmakazien zuging. Sie standen am Dorfrand, so eng beieinander, dass aus ihrem Geäst im Laufe der Zeit eine einzige mächtige Krone geworden war. In ihr verbarg sich das Haus der Geisterfrau.
    Ulufudu ikhaya (Zulu: das Haus (= Panzer) der Schildkröte) hieß es. Das allein machte schon Angst, denn man gab einem Haus keinen Namen! Was sich rufen ließ, das hatte auch eine Seele, welcher Art auch immer – und wer wollte in etwas leben, von dem er annehmen musste, dass es eventuell böse war?
    Adeyemo jedenfalls nicht. Als er aus der Wärme des Morgens unter die Bäume trat, begann der Banzulu-Krieger zu frösteln. Dabei war das Laubdach über ihm keineswegs so dicht, dass die Kühle im Schatten erklärlich gewesen wäre.
    Doch genau das zeichnete den Wohnsitz der Geisterfrau aus: Gar nichts war hier erklärlich.
    Diesmal überlisten mich die Geister nicht! Ich werde Issa Maganga erzählen, was in Kilmalie geschehen ist, und dann gehe ich wieder, nahm sich Adeyemo vor.
    Es waren etwa zehn, zwölf Schritte vom Außenrand der Baumkrone bis zu den Zwillingsstämmen, also wahrlich keine große Entfernung. Und dennoch… hätte Adeyemo die Wahl gehabt, wäre er lieber mit nichts als einem Stock bewaffnet in den Kampf gezogen, statt dieses Haus aufzusuchen, das mindestens so unheimlich war wie seine Besitzerin.
    Ulufudu ikhaya, der Name passte zu dem düsteren, verschnürten Konstrukt aus Holz und dicken Lederresten. Es erinnerte tatsächlich an einen Schildkrötenpanzer, wie es so unterhalb der Baumkrone auf die Äste gepfählt war: lang gezogen, wulstig, mit leicht gewölbtem Dach und Einlässen an allen vier Ecken.
    Rings um das Baumhaus hingen Windspiele aus Knochen und Krallen, Kupferstücken und bizarr geformten Nussschalen.
    Sie klapperten leise und klimperten, obwohl sich kein Luftzug regte. Adeyemo schaute unbehaglich nach oben. Wider besseren Wissens, denn er kannte den gespenstischen Anblick stiller Zweige schon, an denen sich die Windspiele wie von Geisterhand bewegten.
    Wie macht sie das nur? grübelte Adeyemo, doch eine Antwort wollte er gar nicht haben. Es konnte sich nur um Hexerei handeln, und das war etwas, das die Banzulu mehr fürchteten als jedes Raubtier, jeden Feind. Ja – sogar mehr noch als die gefährlichen Launen des Dunklen.
    So hieß der letzte aktive Vulkan in der Dreieinigkeit des Kilmaaro: Mawenzi, der Dunkle. Mächtige Feuergeister hausten in seinem Inneren. Sie waren verfeindet, und wenn sie sich bekämpften, bebte das Land. Das war die Zeit der Dämonen, da blieben Kinder und Alte in den Hütten, das Vieh wurde von den Weiden geholt, der Dorfbrunnen abgedeckt, die Vorräte gesichert. Und Issa Maganga sang ihre Zaubergesänge.
    Adeyemo holte die Vergangenheit ein, als er über das spärliche Gras unter den Akazien schritt. Ein paar Hühner flohen gackernd zur Seite. Sie waren tiefschwarz, und das Rot ihrer Kämme hatte eine ganz andere Qualität als das des bunten Federviehs im Dorf. Es sah aus wie Blut.
    Wochen war es her, seit die Feuergeister den Vulkan verlassen hatten, und doch kam es Adeyemo vor, als sei es erst gestern gewesen.
    Tagelang hatte die Erde gebebt, in immer heftigeren Stößen.
    Dichte fahle Wolken waren aus dem Schlund des Mawenzi gequollen, und des Nachts konnte man den Widerschein des Feuers sehen, das die streitenden Geister verursachten. Issa Maganga versuchte alles, um sie zu besänftigen. Ziegen wurden geopfert, dann sogar der beste Zuchtbulle des Dorfes.
    Es half nichts. Als das Beben unter den Hütten lebensbedrohlich wurde, empfahl die Geisterfrau ein Kinderopfer. Doch Ngomane, der Häuptling, erlaubte es nicht.
    Dann verstummten die Vögel.
    Es wurde so still in kwaBulawayo, dass man glaubte, den eigenen schnellen Herzschlag hören zu
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