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VT10 - Tod im Blut

VT10 - Tod im Blut

Titel: VT10 - Tod im Blut
Autoren: Claudia Kern und Stephanie Seidel
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können. Das Vieh war unruhig, drängte sich wie Schutz suchend aneinander. Doch die Tiere gaben keinen Laut von sich, nicht einmal das kleinste Schnaufen. Es war, als hielte die Welt den Atem an. Dieses unheimliche Schweigen wurde von Stunde zu Stunde erdrückender, zerrte an den Nerven, ließ die Angst ins Uferlose steigen… und plötzlich hörte es auf.
    Mitten in der Nacht erschütterte ein ohrenbetäubender Knall das schlafende Land. Die Banzulu rannten aus den Hütten, sahen eine gigantische Feuersäule aus dem Mawenzi kommen.
    Sie stieg und stieg, wollte schier den Mond vom Himmel reißen. Doch dann kippte sie – und ergoss sich als zäher, glutheißer Strom über die Flanken des Vulkans.
    Wir hatten Glück, dachte Adeyemo. Hätten die kämpfenden Geister einen anderen Weg eingeschlagen, wäre kwaBulawayo zu Asche verbrannt. Wenigstens das konnte Issa Maganga verhindern!
    Er fragte sich, ob der Vulkanausbruch vielleicht ganz unterblieben wäre, wenn Ngomane nicht das geforderte Kinderopfer verboten hätte. Die Geisterfrau wusste schließlich, was sie tat, warum musste sich Nkosi (Zulu: König; Anrede des Stammesfürsten) da einmischen?
    Es war nie gut, sich mit Dingen zu befassen, die nur andere etwas angingen. Deshalb hatten die Banzulu auch nicht herauszufinden versucht, wo die Lavaströme eigentlich endeten, die auf halber Höhe des Mawenzi außer Sicht verschwanden. Irgendwo in den riesigen Weizenfeldern des iFulentshi, nahm man an. Sie waren damals gerade erst bestellt worden, das Korn war also noch weit von der Ernte entfernt.
    Aus diesem Grund wurden auch keine Bauern in kwaBulawayo erwartet, die Getreide gegen Fleisch tauschen wollten.
    Inzwischen aber hätten sie auftauchen sollen, und weil sie das nicht taten, war Ngomane nachdenklich geworden. Er hatte seine besten Läufer ausgeschickt – Adeyemo war einer von ihnen –, um zu hören, ob in Kilmalie und den Schwesterdörfern Ribe und Muhnzipal alles in Ordnung war.
    Nichts ist in Ordnung, dachte Adeyemo erschauernd. Ich werde Issa Maganga um einen Trank bitten, der mir diese entsetzlichen Bilder aus dem Gedächtnis nimmt, die…
    Er prallte zurück. Es war, als hätten fremde Mächte plötzlich einen Schleier vor ihm weggezogen, um den Blick seiner schutzlosen Augen auf eine Realität zu zwingen, die kalte Furcht auslöste: Adeyemo hätte das Baumhaus längst erreicht haben müssen. Doch er war erst drei Schritte gegangen.
    Vielleicht lag es an den Kräutern, die in einem ausgehöhlten Steinbrocken vor sich hin schwelten und süßlichen Rauch verbreiteten. Vielleicht hatten aber auch die Geister Adeyemo überlistet. Wieder einmal. Er hatte das schon öfter erlebt, dass die Zeit sich unter den Schirmakazien auf unnatürliche Weise dehnte. Niemand erreichte Ulufudu ikhaya mit den Gefühlen, die er ursprünglich gehabt hatte. Wer die dreizehn Stufen erklomm, spürte nur noch Angst.
    »Bayete!«, grüßte Adeyemo erstickt, als er durch den Eingang trat. Er legte auch seine Hände L-förmig aneinander und verbeugte sich unterwürfig, obwohl ihm Issa Maganga den Rücken zudrehte. Der sonst so mutige Mann war nicht mehr bereit, ein Risiko einzugehen, indem er die Geisterfrau verärgerte. Man erzählte sich, das Haus habe Augen.
    »Ndabe zita!«, grüßte die Alte zurück, ohne sich umzusehen. Ihre Stimme klang rau und zittrig. »Komm her, mein Junge! Setz dich zu mir und berichte von den Ereignissen in Kilmalie.«
    Adeyemos Augen weiteten sich. »Woher weißt du, dass ich dort war?«
    »Der Wind hat es mir erzählt.« Issa Maganga kicherte. »Der Wind, und deine Frau, die mir das Essen bringt.«
    Dem Banzulu-Krieger wurde es heiß unter der Haut. Es ist peinlich, wie du dich benimmst! Reiß dich zusammen!
    Doch es gelang Adeyemo nicht. Im Gegenteil. Während er Bericht erstattete, machte er den Fehler, seine Blicke durch die Hütte wandern zu lassen, und obwohl er die grausige Einrichtung kannte, verfehlte sie auch diesmal nicht ihre Wirkung.
    Monkeeköpfe baumelten von der Decke, auf Faustgröße geschrumpft und mit toten, zerknitterten Augen. Zwischen Bündeln getrockneter Vogelfüße hingen allerlei rätselhafte Dinge an den Wänden, die ausnahmslos unheimlich wirkten.
    Auf dem Boden lag ein Antilopenfell, das fünf Beine aufwies statt der üblichen vier. Dahinter, in einer schummrigen Ecke, stand ein halbblinder Glasbehälter. Er war ein Tauschobjekt aus den Wolkenstätten des iFulentshi und enthielt das Grässlichste, was Adeyemo je gesehen hatte:
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