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Robina Krux

Robina Krux

Titel: Robina Krux
Autoren: Alexander Kröger
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    Zuerst fühlte Robina das Pochen in den Schläfen, danach den Drang des Blutes zum Kopf. Der übrige Körper erfühlte sich, als ob er schwebe.
    Dann gelangten Bilder ins Bewusstsein, wirr und ungeordnet: Boris winkt – die Mundwinkel leicht nach unten gezogen, als blicke er geringschätzig, die Augen, als sähen sie längst anderes – wie in jenen Tagen, als ihn die Gemeinsamkeit ungeduldig werden ließ…
    Da steht Ed, gebeugt, lächelnd unter dem Schmerz des kranken Wirbels. Er streicht über ihren Arm beim Abschied, Ed, den sie lange nicht sehen und nur durch 100 Ohren wird sprechen können.
    Und da beugt sich Frank zu ihr, klopft vor dem Ausschleusen auf den Schutzanzug: „Mach’s gut, Robi!“ Die Trennung wird nur kurz sein.
    ‚Mein Kopf – zu tief – der Druck… Was ist…?’
    Robina durchfuhr es siedendheiß: ‘Frank!’
    Und dann etwas anderes: Der Bolzplatz. Knapp vor dem Gesicht wischt der Boden aus gewaschenem Sand und glasklaren Plast-Oolithen vorbei. Die langen Haare ziehen eine feine Spur.
    Empörte Passanten lösen den Knoten des Strickes, der die Füße des baumelnden Mädchens verbindet und der dazu diente, hängend über das Seil zu hoppeln. Und sie bedauern das ach so zarte, hübsche und jetzt wütend weinende Kind, dem das Blut zu Kopfe gestiegen ist, undsie schimpfen auf die rüden Bengel, die aus sicherer Entfernung grinsend die Szene beobachten.
    Dabei hatte Robina gar nicht geweint, weil sie mit dem Kopf nach unten hing, wie die Leute annahmen; sie wäre allemal in der Lage gewesen; bis zur Seilstütze zu hoppeln und sich dort empor zu hangeln. Nein, Ed, der hebe Bruder, hatte, ihre Lage schamlos ausnutzend, ihrer Sportpuppe den Akkumulator entnommen und ihn seinem Maulwurf einverleibt, der beim Wettgraben am langsamsten schaufelte.
    Natürlich gab es beim Hoppeln einen Blutandrang zum Kopf hin – wie im Augenblick…
    Langsam, ganz langsam formte sich die Frage: ‘Wo bin ich? Was, was ist geschehen?’
    Robina öffnete die Augen; sie spürte Schmerzen im Nacken; das Pochen lief durch Hals und Kopf. Was sie sah, war wenig. Sie benötigte Sekunden, um sich zu orientieren. Dann begriff sie: Sie lag vor dem Steuersitz des Beibootes, der beängstigend schräg über ihr hing. Ihr linkes Bein klemmte verdreht zwischen Steuerung und dem Schalenrand des Sessels, der Helm stieß gegen die Pedale. Robina übersah ein Stück der Kabinendecke, des Sessels und die Armaturenverkleidung von unten. Platzangst überfiel sie. ‘Aufstehen!’, befahl sie sich, ‘sehen!’ Aber auch als sie sich mühevoll aufgerichtet hatte, überblickte sie nur wenig mehr.
    Sie brauchte eine Weile, um zu begreifen, dass es sich bei der grauglänzenden Wand vor der Bugscheibe um einen Teil des Bootes selbst, eine der Stabilisierungsflächen handelte. Rhythmisch zuckten darüber Streulichter der geheimnisvollen Lumineszenz des Boliden.
    Robina durchlief abermals ein Angstschauer. Sie wandte sich zum Mikrophon und musste dazu den Kopf in eine unbequeme Lage drehen. Betont forsch sagte sie: „Hallo, Frank?“ Sie konnte nicht verhindern, dass die Stimme zitterte, der Ruf belegt klang.
    Und noch etwas irritierte: Sie hörte ihre eigene Stimme nicht über das Außenmikrophon des Anzugs. Wieder ergriff sie eine Angstwelle, als ihr bewusst wurde, dass die Hermetik der Kabine gestört sein musste.
    ‘Die Gefährten holen mich hier weg!’
    Sie lauschte auf das beruhigende Summen der Sprechanlage des Anzugs. Hier schien alles in Ordnung zu sein.
    „Hallo, Frank!“
    Stille. Außer diesem feinen Summen – Stille…
    Robinas Blick glitt unstet über die Armaturen. Die Zeiger standen auf Null. Die Signallampen, unheimlich dunkel, tot in den Fassungen, beschworen abermals Bangigkeit herauf.
    „Hallo, Frank, Stef!“
    Robina spürte, wie Schweiß ausbrach, wie die Kopfhaut zu prickeln begann.
    „Mandy?“
    Sie lauschte nicht mehr, ob das leise Summen von einer vertrauten Stimme durchbrochen würde. Sie schrie: „Frank, zum Teufel, so melde dich doch!“
    Nichts.
    Plötzlich klatschte sich Robina die behandschuhte Linke an den Helm. „Drehst durch, Robi“, sagte sie laut, und sie hielt sich die Uhr vor das Helmfenster. „Sie können dich nicht hören, absoluter Funkschatten – noch siebenunddreißig Minuten, Mist!“
    Erleichtert atmete Robina auf. ‘So ein Unsinn. Ein wenig havariert, und gleich spielt man verrückt. Es hätte doch schlimmer kommen können. Ich lebe, bin wohlauf, in dreißig Kilometer
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