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Robina Krux

Robina Krux

Titel: Robina Krux
Autoren: Alexander Kröger
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scherzhaft gelästert, bei den Damen und Herren Computern sei das selbstverständlich anders – die hatten ihre Klimaanlage. Jedenfalls wurde dieser Frühling herbeigesehnt, schon weil die Freizeit abwechslungsreicher werden würde. Es bleibt noch immer ein Erlebnis, die erwachende Natur zu genießen und – zu bewundern. Nicht lange, und man konnte sich wieder ohne den Temptexanzug in die Wellen stürzen. Irgendwie hatte Robina das Gefühl, dass sie dieses Mal die warme Jahreszeit besonders herbeigesehnt hatte. Es war da so eine Unrast in ihr, ein Sehnen, so verborgen und schwankend, dass sie sich scheute, mit den Freundinnen darüber zu sprechen. Außerdem blieb zu vertraulichem Plausch kaum Gelegenheit. Das Ausbildungsregime sah Einzelzimmer, autogenes Training, Disziplin – versteht sich – und bewusste, aktive Erholung vor. Dazwischen lagen theoretischer Unterricht, Übungen an den Feldfängern und meist bleierner Schlaf. Spartakianisch – nein, spartanisch. Robina lächelte eingedenk ihrer schwachen Geschichtskenntnisse. Diejenigen, die mit ihr in der Ausbildung standen, insbesondere aber die männlichen Lernfreunde, hatten sie an diesem Frühlingsnachmittag ab und an von der Seite gemustert, so dass sie beinahe verlegen geworden wäre. Sie konnte sich nicht erinnern, jemals zuvor Objekt so stillen Interesses gewesen zu sein. Im Gegenteil, oft hatte sie den Eindruck, dass viele ihrer Freundinnen mehr als sie ästimiert wurden. Sie wurde aufgefordert, mit den Jungs Fußball zu spielen, die Freundinnen hingegen zur Teilnahme an Live-Illusionen.
    Schließlich hatte Robina diese ungewöhnliche Aufmerksamkeit auf den neuen Anzug geschoben, den sie zum ersten Mal trug, einen aus dem damals neumodischen luftigen Stoff – wie hieß er? Irlon oder so ähnlich –, der auf den Körper aufgespritzt wurde und den man wie eine zweite Haut trug und auch wie eine solche abstreifte.
    Und dann hatte der lange Stan, bekannt wegen seines meist gutmütigen Spotts, mit einer seiner schnoddrigen Bemerkungen die Ursache dieser Blicke aufgedeckt: „Seht, seht, unserer kleinen Robi ist ordentlich der Frühlingswind unter die Bluse gefahren“, worauf Robina rot wurde und Stan mit einem kräftigen „Spinner“ bedachte. Aber zu Hause dann hatte sie sich minutenlang mit und ohne Anzug vor dem Spiegel gedreht, sich gestreckt und sich auf einmal gar nicht mehr so spillrig gefunden.
    Von diesem Tag an war ihr Selbstbewusstsein gestiegen, und die Aufforderungen zu Fußballspielen wurden seltener. Stan war der Erste, der sie zu einer Live-Illusion einlud.
    Was jetzt Robina allerdings in der spiegelnden Kristallfläche gegenüberstand, klobig im Druckanzug, das Gesicht mehr zu ahnen als zu sehen hinter der Scheibe: Alles andere als eine begehrenswerte junge Frau. Sie schnitt ihrem Spiegelbild eine Grimasse und wandte sich ab.
    Im Schein einer besonders hellen Lumineszenzpulsation entdeckte Robina in einiger Entfernung eine Kaskade Tochterkristalle, die sich, kubisch gewachsen, wie eine Treppe schräg an der Wand hochzogen.
    Robina ging vorsichtig, spürte, wie Kristallsplitter unter ihren Füßen knirschten, zeitlupenhaft emporschwebten. Sie bemühte sich, ihnen nicht zu große Impulse zu verleihen, dämpfte ihre Muskelanspannungen auf ein Minimum, damit die Schritte nicht gar so weit und hoch wurden und sie Gleichgewicht und Orientierung behielt.
    Robina sprang die über drei Meter hohen Kristalle empor, erreichte binnen kurzem eine Höhe von vielleicht 15 Metern, gab dann auf, weil die Simse so schmal wurden, dass sie ihr kaum noch Halt boten.
    Vor Robina tat sich die spiegelnde Ebene auf, gesäumt von bizarr hochragenden, klaren Kristallen. Klobige Kuben wechselten sich mit messerscharfen, hochgeschossenen Lanzen ab. Trauben von kleinen Würfeln wucherten, überragt von ebenmäßigen Einzelkristallen. Gruppen wuchsen ineinander, verschmolzen scheinbar. Da und dort lagen verstreut Brocken geborstener Pracht.
    So weit das Auge reichte: Das eigenartige, unheimlich wirre und sicher schwer zugängliche Kristallmassiv, nur, hier, im Vordergrund, die Ebene wie ein erstarrter glatter See. Erkundungsflüge hatten auf dieser Seite des Boliden nichts anderes ergeben.
    Einige Augenblicke lang genoss Robina das Farbenfeuer, in dem diese eigentümliche Welt erstrahlte: Das ursprünglich weiße Licht leuchtete, gefärbt durch die Mineralsubstanzen und dispergiert durch die Prismenwirkung vieler farbloser Körper, in allen Farben des
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