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VT10 - Tod im Blut

VT10 - Tod im Blut

Titel: VT10 - Tod im Blut
Autoren: Claudia Kern und Stephanie Seidel
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ein verdorrtes Baby, dem ein zweiter Kopf aus dem Bauch wuchs.
    »Das sind meine Brüder! Du solltest sie nicht so anstarren, sie mögen das nicht!«, sagte die Geisterfrau. Adeyemo zog unwillkürlich die Schultern hoch.
    »Tut mir Leid«, krächzte er heiser, doch es kam keine Antwort. Er wartete eine Weile, räusperte sich dann und fragte:
    »Was geschieht jetzt? Ich meine: Wollen die Mörder von Kilmalie, diese… diese Hirnfresser, auch kwaBulawayo überfallen?«
    Die Geisterfrau wiegte bedächtig den Kopf. »Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Gib mir mal den Beutel da!«
    Sie zeigte an Adeyemo vorbei. Er wandte sich um, wollte schon zugreifen. Im letzten Moment riss er die Hand zurück.
    Fast hätte er eine gehäutete, von Fleggen umsurrte Fehlgeburt angefasst. Eine Ziege, dem Augenschein nach. Was Issa Maganga mit ihr vorhatte, wollte er gar nicht wissen. Also fragte Adeyemo auch nicht. Stattdessen reichte er der Geisterfrau wortlos einen zugeschnürten, ledernen Beutel, der halb unter dem Tierkadaver gelegen hatte.
    Issa Maganga öffnete den Verschluss, breitete das Leder aus und strich es glatt. Dann sammelte sie die kleinen Dinge auf, die der Beutel hütete. Steine, Knochen, Zähne… alles wurde sorgfältig in einer blank gewetzten, alten Kokosnuss versenkt.
    Die Geisterfrau legte eine Hand auf die Öffnung, und begann die Schale zu schütteln. Sacht nur, unter unverständlichem Gemurmel und mit geschlossenen Augen. Adeyemo betrachtete sie scheu.
    Die Geisterfrau war ein klapperdürres, uraltes Weib mit knotigen Gelenken und weißem Haar. Dessen Ansatz war in gerader Linie bis zur Kopfmitte zurückgewichen, was die vordere Schädelpartie überbetonte und bullig wirken ließ. Über dem dunklen, fast schwarzen Gesicht lag ein Netz aus Runzeln und Furchen. Alle Pfade und Wege Afrikas schienen sich darin abzuzeichnen.
    Und ihre Brüste! Adeyemo erschauerte. Wie faltige Schläuche hingen sie vor einem ebenso faltigen Bauch, dessen fransiges Narbengewebe von vielen Schwangerschaften zeugte.
    Nicht eins der Kinder lebte.
    »Hmpf!« Adeyemo zuckte erschrocken zurück, als er den Kopf hob und den Augen der Geisterfrau begegnete. Er wusste nicht, wie lange sie ihn schon anstarrte – schweigend, düster –, und er verfluchte sich für seine Leichtsinnigkeit. Sie konnte Gedanken lesen, wieso hatte er das vergessen?
    Wortlos, mit einer raschen Bewegung aus dem Handgelenk, goss Issa Maganga den Inhalt der Nussschale auf den Boden.
    Dann beugte sie sich vor und versank in nachdenklicher Betrachtung. Manchmal streckte sie ihre Hand aus und berührte mit knotigen Fingern ein Holz, einen Stein, einen Vogelschnabel. Alles, auch die Lage der Gegenstände zueinander, hatte eine Bedeutung für sie, das merkte Adeyemo an ihrem Mienenspiel.
    Er versuchte es der Geisterfrau gleichzutun, wollte auch etwas erkennen. Vielleicht ein Muster, oder ein Symbol. Doch das Geheimnis der Voodoo-Utensilien erschloss sich ihm nicht; Adeyemo sah nur verstreuten, belanglosen Kram. Der stolze Mann fühlte sich dem Weib unterlegen, und dieses kränkende Gefühl verstärkte sich noch, als Issa Maganga plötzlich hochfuhr. Offenbar hatte sie eine Entdeckung gemacht.
    »Etwas kommt auf das Dorf zu!«, raunte sie alarmiert.
    »Die Hirnfresser?«
    »Ich sagte: etwas.« Die Geisterfrau wies auf einen schwarzen Stein, dann auf ein Stück Holz und ein Saatkorn.
    »Es kommt aus dem Wald bei den Feldern von Kilmalie! Jemand muss es aufhalten! Unbedingt! Es darf unter keinen Umständen ins Dorf gelangen!«
    »Ich erledige das«, sagte Adeyemo sofort.
    Issa Maganga sah ihn prüfend an. »Gut. Aber nimm ein paar Leute mit! Dieses… Etwas ist gefährlich!«
    Adeyemo sprang auf, schlug sich hart vor die Brust. »Was soll das? Ich bin ein Krieger! Ich brauche keine Verstärkung, um ein Etwas zu töten!«
    »Wie du meinst. Du musst ihm übrigens den Kopf abschlagen, anders lässt es sich nicht besiegen.« Issa Maganga senkte den Blick und begann ihre Voodoo-Figuren aufzuklauben, umsichtig und sacht, beinahe liebevoll. Sie summte dabei ein Wiegenlied. Als wären die magischen Steine und Hölzer in Wahrheit verhexte Kinder.
    Adeyemo wandte sich schaudernd ab. Er hatte schon fast den Ausgang erreicht, froh, das unheimliche Haus und seine Besitzerin verlassen zu können, da sprach die Geisterfrau unvermittelt eine rätselhafte Warnung aus: »Hüte dich vor denen, die schwere Lasten tragen und ohne Furcht sind!«
    Adeyemo stutzte. Meinte sie Efranten? Die wilden
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