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VT07 - Niemandes Welt

VT07 - Niemandes Welt

Titel: VT07 - Niemandes Welt
Autoren: Dario Vandis
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träumte, dass er in ihrem Zelt unter der flauschigen Wolldecke lag. Lourdes schmiegte sich an ihn, und Kinga hatte den Arm um sie gelegt. Er barg den Kopf zwischen ihren Brüsten und genoss das Gefühl von Geborgenheit, das ihre warme Haut ihm vermittelte. »Lourdes?«, fragte er. Sie antwortete nicht. »Prinzessin. Eure Excellenz.« Als sie immer noch nichts erwiderte, hob er den Kopf und blickte auf Lourdes' Gesicht. Ihre Augen standen offen und schimmerten wie Glasperlen. Direkt über der Stirn setzte der blutige Schnitt an, mit dem ihr die Schädeldecke abgetrennt worden war.
    Das war der Moment, in dem die Stimme ihn weckte.
    »Wie geht es dir, Kinga? Du hast im Schlaf geschrien.«
    »Wo bin ich?«, murmelte er und wunderte sich, warum er nichts sehen konnte. Aber die Panik blieb aus. Stattdessen kehrte die Erinnerung zurück. Die Erinnerung an die Gruh und an die Schwärze, die ihn nun schon seit Wochen umgab.
    »Du hast schlecht geträumt«, sagte die Stimme, »aber jetzt bist du wach. Ich möchte heute etwas über deinen Kaiser erfahren. Wie hieß er noch gleich – Rozier?«
    »Pilatre de Rozier«, flüsterte Kinga und lauschte dem Klang des Namens nach. Er bedeutete ihm nichts. Er rief sich in Erinnerung, dass dieser Pilatre de Rozier Lourdes' Vater war, aber er fühlte immer noch nichts. Es war, als hätte der Schwefelgeruch jedes Gefühl in seiner Brust erstickt. Außer den Gefühlen für Lourdes.
    »Wird dieser Pilatre kommen, um seine Tochter zu retten?«, fragte die Stimme.
    Kinga schloss die Augen. Er wollte schlafen. Nur schlafen.
    »Wird er kommen?«, wiederholte die Stimme, nun schneidender.
    »Weiß nicht… keine Ahnung… egal…«
    »Es ist nicht egal«, sagte die Stimme ungehalten. »Ich habe dir eine Frage gestellt, und du hast sie zu beantworten!«
    »Wird kommen… Ja, Rozier wird kommen… um Lourdes zu retten…«
    »Woher weißt du das?«
    »Oder er kommt nicht… nein, kann nicht kommen… kann sie nicht retten, denn Lourdes ist tot…«
    »Ja – aber das weiß dein verehrter Kaiser ja nicht.«
    Kinga versuchte den Gedanken der Stimme zu folgen.
    »Wie viele Soldaten besitzt dieser Pilatre? Befiehlt er über ein gut ausgebildetes Heer?«
    »Heeeer?«, dehnte Kinga verständnislos. Der Name de Rozier schwirrte ihm durch den Kopf. Wimereux. Avignon. Sein Kopf schmerzte. Er hatte Fieber!
    Er beschloss die Stimme zu fragen. Vielleicht konnte sie ihm sagen, was mit ihm los war.
    Er rief nach ihr, aber die Stimme antwortete nicht.
    Sie hatte ihn verlassen.
    Kinga grämte sich nicht deswegen. Es war ihm egal. Wenn nur die schrecklichen Kopfschmerzen nicht gewesen wären.
    Er schloss die Augen und schlief ein.
    Und über ihm öffnete sich wieder die Luke.
    ***
    ***
    ***
    Hauptmann Cris fand keine Zeit zu reagieren.
    Beinahe lautlos tauchten sie aus dem Spalt in der Wand auf: vier, fünf, sechs Gruh, die mit schlurfenden, aber zielgerichteten Bewegungen auf die Gardisten zukamen, die auf der engen Plattform keine Ausweichmöglichkeit hatten.
    Nabuu spürte, wie er an den Abgrund gedrückt wurde. Er ließ sich zu Boden fallen und tauchte unter der zupackenden Hand eines Gruh weg. Der Grauhäutige knurrte und ruderte instinktiv mit den Armen, um das Gleichgewicht wiederzuerlangen. Er traf einen der Gardisten an der Brust, der zurückstolperte, ins Leere trat und mit einem Schrei im Abgrund verschwand.
    »Zielt auf die Köpfe!«, brüllte Ngaaba über das Getümmel hinweg und versuchte Hauptmann Cris aus den Klauen der Grauhäutigen zu befreien. Er packte einen der Gruh von hinten, doch dieser krächzte nur unwillig und schüttelte Wabos Hand ab wie ein lästiges Insekt. Hauptmann Cris riss den Mund auf, aber nur ein angsterfülltes Röcheln drang heraus. Er tastete nach dem Degen an seinem Gürtel, doch in der Aufregung bekam er nur sein Messer zu fassen und rammte es dem Angreifer in den Magen.
    Ungläubig starrte er auf die Waffe, deren Klinge sich bis zum Heft in den Körper des Gruh gebohrt hatte. Das unheimliche Wesen zuckte nicht einmal! Der Griff des Gruh um Cris' Hals blieb unverändert stark, und der Grauhäutige riss jetzt gierig den Mund auf, sodass der Hauptmann den fauligen Atem riechen konnte, der über ihn hinwegwehte.
    Da war Nabuu heran und holte aus der Drehung mit dem Schwert aus. Der Streich trennte das linke Bein des Monsters ab. Der Gruh fiel zu Boden, klammerte sich jedoch weiter an Cris' Kehle fest.
    »Verschwinde, Junge!«, keuchte Wabo und stieß Nabuu auf den Wandspalt
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