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VT07 - Niemandes Welt

VT07 - Niemandes Welt

Titel: VT07 - Niemandes Welt
Autoren: Dario Vandis
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solche Herabsetzung, Schwester. Dieses Mahl da…«, Antoinette deutete auf den Teller mit Maisfladen und die kleine Schüssel mit Paprika-Soße, »… ist einer Person von reinem Geblüt einfach unwürdig.«
    »Antoinette«, sagte Marie leise, und der unerbittliche Tonfall ihrer Stimme veranlasste die Angesprochene tatsächlich, sofort zu verstummen. »Hast du das Beben vor einer Stunde gespürt?«
    Antoinette hielt verwirrt inne und runzelte die Stirn. »J-ja. Ich befürchtete schon, dass die Wolkenstadt abstürzen würde… Du solltest die Konstrukteure auspeitschen lassen. Und die Architekten gleich dazu. Dieses Zimmer, in dem du mich untergebracht hast, ist viel zu klein. Die Badewanne ist so schmal, dass ich die Beine anziehen muss, wenn ich mich darin umdrehe. Die Ausstattung des Zimmers ist eine Katastrophe. Selbst den Kissen fehlt die goldene Bordüre.«
    »Das Beben«, sagte Marie ruhig, »entstand, als der Versorgungsschlauch abgekoppelt und die Halteseile abgetrennt wurden. Orleans-à-l'Hauteur befindet sich bereits auf dem Weg.«
    »Das ist gut«, sagte Antoinette stirnrunzelnd und überlegte, was Marie ihr damit sagen wollte.
    »Da wir nicht wissen, wie sich die Lage im Zielgebiet darstellt«, fuhr Marie fort, »habe ich vorläufig das Essen rationieren lassen.«
    »Eine weise Entscheidung!«, entgegnete Antoinette. »Die Hofschranzen fressen uns sowieso die Haare vom Kopf. – Aber das verstehe ich nicht, Marie. Dann müsste ja gerade umso mehr für uns übrig bleiben.«
    »Die Rationierung gilt natürlich auch für uns, liebste Schwester.«
    Antoinette starrte Marie an, als hätte diese den Verstand verloren. »Du willst tatsächlich, dass ich die nächsten Tage von Maisfladen und Tomatensoße lebe?«
    Bevor sie jedoch zu einer Tirade ansetzen konnte, öffneten sich die Saaltüren und Kanzler Goodefroot erschien. In seiner Begleitung befand sich der Sonderbeauftragte für Militärisches, dessen Laune sich seit dem verlorenen Fechtkampf nicht wesentlich gebessert hatte.
    Wie üblich trug Pierre de Fouché eine weiße Uniform mit riesigen Epauletten auf den Schultern, auf die seine Dienstmädchen ungefähr fünfzehn verschiedenfarbige Sterne aufgenäht hatten. Außerdem haftete eine Vielzahl von Orden an seiner Brust, deren Bedeutung Marie stets ein Geheimnis geblieben war. Die Bewohner von Orleans verspotteten de Fouché hinter seinem Rücken als »wandelnden Weihnachtsbaum«. Gleichzeitig respektierten sie ihn, weil er nicht nur körperlich fit, sondern auch ein genialer Stratege war. Selbst bis nach Wimereux-à-l'Hauteur war sein Ruf gedrungen, und Marie ahnte, dass es nicht zuletzt de Fouchés Fähigkeiten waren, dessentwegen ihr Vater ausgerechnet Orleans dazu ausersehen hatte, es mit den Gruh aufzunehmen.
    Das änderte nichts daran, dass sie selbst de Fouché nicht besonders mochte. Er war wie die meisten Soldaten davon überzeugt, dass Zivilisten nutzlose Parasiten waren, und es war ein offenes Geheimnis, dass er das feudalistische Herrschaftssystem de Roziers am liebsten durch eine Militärdiktatur ersetzt hätte – natürlich mit sich selbst an der Spitze. Gerade Prinzessin Marie, die beim Volk sehr beliebt war, war ihm deshalb ein Dorn im Auge.
    Der Kriegsminister eilte mit energischen Schritten an Kanzler Goodefroot vorbei und ließ sich wie selbstverständlich auf dem Stuhl neben Marie nieder. Goodefroot hingegen blieb stehen, bis Marie ihm mit einem Kopfnicken zu verstehen gab, dass er sich setzen durfte.
    »Nun, was gibt es so Dringendes, dass die heutige Übung abgesagt und die Stadt Hals über Kopf in Bewegung gesetzt wurde?« De Fouché verschränkte die Arme vor der Brust und musterte Marie mit einem Blick, der gepflegtes Desinteresse vortäuschen sollte. Dahinter jedoch blitzten seine Pupillen neugierig.
    »Hüte er seine Zunge!«, zischte Antoinette. »Hat er nicht gelernt, in Gegenwart der Prinzessin höflich zu sprechen?«
    »Ich spreche, wie es mir beliebt«, gab de Fouché zurück und ließ den Blick verächtlich über Antoinettes üppige Figur schweifen.
    »Wir danken dem Sonderbeauftragten für sein Erscheinen«, sagte Marie. »Wie er bereits weiß, ist heute Nachmittag meine Schwester Antoinette in Orleans eingetroffen. Was er allerdings noch nicht weiß, ist, dass sie wahrhaft schlechte Nachrichten mitbrachte. Diese sind der Anlass für die Reise.«
    Sie erklärte in kurzen Worten, was sich in der Nähe des Dorfes Kilmalie zugetragen hatte. De Fouché lauschte zunächst
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