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VT02 - Der gierige Schlund

VT02 - Der gierige Schlund

Titel: VT02 - Der gierige Schlund
Autoren: Michael M. Thurner
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meistern.«
    »Wenn ihr es schafft, freue ich mich. Wenn ihr scheitert, so werde ich nicht trauern«, sagte Zhulu lapidar. Er nahm das Paddel neuerlich zur Hand und klopfte einen altbekannten Rhythmus. Den »Ordnungsruf«, den die Tiere von der ersten Trainingseinheit an verinnerlichten.
    Kinga blieb stehen, sah dem erfahrenen Quarting bei seinen vergeblichen Bemühungen zu. Schließlich drehte er sich um und verließ die Stallungen. Die Zeit drängte. Liebend gern wäre er hier geblieben und hätte Zhulu unterstützt. Doch er musste sich um die Ausrüstung und jene Männer kümmern, die ihn in die Große Grube hinab begleiten würden.
    »Warte!«, rief ihm Zhulu hinterher.
    »Ja?«
    »Ich habe etwas, das dir möglicherweise nützlich sein wird«, sagte der Quarting unbeholfen. Er nestelte an einer Tasche seines Arbeitsgewandes umher und zog schließlich eine Kette mit braunen, an den Kanten scharf geschliffenen Steinen hervor.
    Bernstein. Man sagte über das weiche Harzgestein, dass es gegen Fieber immunisierte, aber auch Dämonen und bösen Zauber von demjenigen fernhielt, der es dicht an seinem Herzen trug.
    »Ich wusste nicht, dass du abergläubisch bist.«
    Zhulu zog die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. »Denk nicht darüber nach«, sagte er. »Leg dir die Kette einfach um den Hals.«
    Kinga folgte der Bitte des Älteren. Es geschahen Dinge zwischen Himmel und Erde, die mit gesundem Menschenverstand allein nicht zu erklären waren. Das Auftauchen der blutrünstigen Gruh, die aus den Tiefen der Erde emporgestiegen waren, gehörte definitiv dazu. Es schadete nicht, einen Schutz gegen böse Geister bei sich zu tragen.
    Die fingergliedgroßen Steine der Kette fühlten sich gut an. Sie nahmen die Körperhitze auf und schienen sie zu verstärken. Gingen etwa gar beruhigende Impulse von ihnen aus?
    Kinga nickte dankend.
    »Es gibt noch etwas, das du wissen solltest«, murmelte Zhulu mit gesenktem Kopf.
    »Ja?«
    »Du kennst die Begeisterung der Kilmalier für alte Geschichten. Solche, die dir einen Schauder über den Rücken jagen und meist aus dem Reich der Fantasie stammen. Aber manche Erzählungen bergen einen wahren Kern in sich. So wie zum Beispiel jene über den ›Verschollenen Woormreiter‹.«
    Kinga grinste. »Ein Ammenmärchen! Nabuu und ich haben schon darüber gelacht, als wir noch Kinder waren und Eimer voll Woormscheiße über den Feldern verteilen mussten.«
    »Vieles wird mystifiziert, manches stimmt«, wiederholte Zhulu mit ernstem Gesicht. »Denn ich kannte den verschollenen Woormreiter.«
    ***
    »Aksama war ein heißblütiger junger Mann«, begann der Quarting seine Geschichte. »Als ich in den Dienst Goblijns, meines Vorvorgängers, trat, ritt er die Drittwoorms mit ungeheurem Geschick zu. Ich sage dir: Im Umgang mit den Tieren war er der beste und einfühlsamste, den ich jemals gesehen habe.«
    Zhulu setzte sich auf die glasierte Sandoberfläche und lud Kinga mit einer Geste ein, es ihm gleichzutun.
    Nur ungern folgte der Triping dem Wunsch des Älteren. Seine Nervosität wuchs von Minute zu Minute. Die Gruh waren zwar, wie er selbst gesehen hatte, schlecht bei Fuß; aber der Vorsprung der unheimlichen Wesen musste bereits beträchtlich sein. Spuren, die sie möglicherweise hinterlassen hatten, würden nicht für alle Zeiten sichtbar bleiben.
    »Aksama war ein unruhiger Geist«, fuhr Zhulu in seiner Erzählung fort. »Manchmal packte es ihn und er verschwand irgendwohin. Tage oder Wochen danach kehrte er zurück und machte sich wieder an die Arbeit, ohne ein Wort über seine Erlebnisse zu verlieren.« Der Quarting seufzte. »Lediglich sein Genie und seine Einfühlsamkeit im Umgang mit den Tieren bewahrten ihn davor, von Goblijns endgültig aus Stall und Reitarena verbannt zu werden. Der Quarting duldete unter Zähneknirschen die Eskapaden seines Lieblingsschülers.«
    Zhulu nahm einen Schluck Wasser aus seiner Fellflasche, bevor er fortfuhr: »Aksama schien niemals zufrieden mit seinem Leben zu sein. Er strebte nach Höherem, wollte die Maelwoorms und ihre Beweggründe verstehen. Oftmals schlief er in den Ställen – du weißt, wie unruhig sich die Tiere während ihrer Schlafphasen verhalten – und redete in einem seltsamen Singsang auf sie ein, obwohl er genau wusste, dass sie fast taub waren, oder er brachte sie mit dem Befehlspaddel dazu, seltsame Kunststücke vorzuführen.«
    »Und eines Tages verschwand er?«, mutmaßte Kinga ungeduldig.
    »Nicht nur das; er befreite alle Woorms
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