Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
VT02 - Der gierige Schlund

VT02 - Der gierige Schlund

Titel: VT02 - Der gierige Schlund
Autoren: Michael M. Thurner
Vom Netzwerk:
ihres natürlichen Gefängnisses zeigten sich lange Risse. Das verfestigte Erdreich drohte ebenfalls herabzustürzen und sie endgültig zu begraben.
    Sie fühlte sich gepackt, vom zweiten Gruh ein Stückchen nach oben gehoben. Auch dieses Wesen betrachtete es nach wie vor als seine Aufgabe, ihr Überleben zu sichern. Fast hätte sich ein Gefühl der Dankbarkeit eingestellt, während sie gemeinsam mit dem Gruh ums Überleben kämpfte. Fast.
    Sie schob sich höher und höher, während sich das Gefängnis in rasendem Tempo anfüllte. Platsch. Platsch. Platsch. Batzen um Batzen, jeweils viele Kilogramm schwer, plumpste herab, legte sich schwer auf ihren Leib.
    Der eine Gruh war längst versunken. Bloß seine Hand ragte noch aus dem Schlamm und bewegte sich schwach. Mit einem Finger schien er sie herbeizuwinken.
    Ein weiterer Schrei.
    Laut, alles durchdringend. So intensiv, so kräftig, dass Lourdes Körper zu schwingen begann und sich ihre Magenmuskeln konvulsivisch zusammenzogen.
    »Gib mir deine Hand«, forderte jemand mit heiserer Stimme, »ich ziehe dich raus!«
    Die Soldaten ihres Vaters? Waren sie hier?
    Wo war oben? Woher war die Stimme gekommen? Lourdes hatte die Orientierung verloren. Alles um sie war Erde und Schlamm.
    »Hier bin ich, Prinzessin! Ich rette dich!«
    Die Stimme kam ihr bekannt vor. Konnte es sein, dass…
    Sie befreite ihren Arm aus der Masse, die nun bis zu den Brüsten reichte, streckte ihn irgendwohin aus.
    Fühlte Widerstand. Kräftige und grobe Hände, vom stetigen Umgang mit den Zügeln eines Maelwoorms ledrig geworden.
    Die Pratze des Mannes schloss sich um ihr Handgelenk. Ein kräftiger Ruck drohte ihr das Schultergelenk auszukugeln. Lourdes strampelte mit den Beinen, schob sich ein wenig höher. Der zweite Gruh blickte sie an, lediglich Zentimeter von ihr entfernt. Aus unerfindlichen Gründen hatte er jeglichen Widerstand aufgegeben. Starrte umher, schnappte plötzlich mit seinem Maul nach ihr, verfehlte sie nur knapp.
    »Gruh!«, bellte er ein letztes Mal, bevor er endgültig im Schlamm versank.
    Lourdes fürchtete sich nicht mehr. Unerklärliche Ruhe überkam sie. Gleichgültigkeit drohte sie aufzufressen, ihren Kampfeswillen endgültig zu brechen.
    »Nicht nachlassen!«, rief der Mann von oben. »Wir haben es gleich geschafft…«
    Sie spürte, wie ihr Retter ein Seil um ihre beiden Arme schlang und es ungelenk verknotete.
    Ein neuerlicher Ruck im Erdreich. Ein Schrei, unglaublich intensiv, der durch die Höhle rollte. Stalaktiten brachen von der Decke herab und bohrten sich wie geschleuderte Messer in den Schlamm rings um sie.
    Es bricht alles zusammen, dachte Lourdes müde. Der Vulkanausbruch an der Oberfläche hat das gesamte Gefüge zerstört und sorgt jetzt für das Ende dieser unterirdischen Welt.
    Sie fühlte sich ruckweise hochgezogen. Von dem Mann am anderen Ende des Seils, der gegen die Schlammmassen ankämpfte, keuchte und fluchte und stöhnte.
    Bis zu den Hüften war sie nun frei. Mit mechanischen, müden Bewegungen schaffte sie ein wenig Freiraum um sich. Zentimeter waren es bloß – und doch ausreichend viel, um ihrem Retter die Arbeit wesentlich zu erleichtern. Der nächste Ruck befreite sie bis zu den Oberschenkeln. Dann bis zu den Knien. Mit einem letzten schmatzenden Geräusch kam Lourdes frei, fühlte unendliche Erleichterung. Für einen Moment hing sie in der Luft, um schließlich an den Rand des Lochs hinauf und schließlich auf den felsigen Boden gezogen zu werden. Sie konnte kaum etwas erkennen. Der Schlamm verklebte ihre Augen.
    »Bist du in Ordnung?«, fragte eine heisere, müde Stimme. »Es tut mir Leid, wenn ich zu grob geworden bin, Prinzessin.«
    Sie hustete, spuckte Erdbrocken aus. Drehte sich auf den Rücken.
    Die Gesichtsreinigung, Haarwäsche und Pediküre würden Stunden dauern und ihren Leibsklavinnen alles abverlangen; so viel stand jetzt schon fest.
    Ihr Sehvermögen kehrte allmählich zurück, ließ sie das grinsende Gesicht ihres Retters erkennen.
    Sie blieb liegen und blickte den Mann an.
    »Du?«, fragte sie leise.
    ***
    Der Stoß, mit aller Wucht geführt, war tödlich. Die Spitze des Stalaktiten trat oberhalb des Brustbeins aus dem Körper. Aksama tat keinen Laut, als er vornüber kippte und zu Boden stürzte. Kinga musste den Wirbelkanal durchbohrt und das Rückenmark durchtrennt haben.
    Er drehte Zhulus Bruder auf den Rücken. Glasige Augen stierten ihn an. Blut troff dem Wahnsinnigen aus dem Mund, die Lippen formulierten die Frage nach
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher