Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
VT02 - Der gierige Schlund

VT02 - Der gierige Schlund

Titel: VT02 - Der gierige Schlund
Autoren: Michael M. Thurner
Vom Netzwerk:
dessen fauligen Odem, sah, wie sich die schmale Brust unter holprigen Atemzügen anspannte und wieder zusammenfiel. Das Geschöpf widerte ihn an. Es hatte seine Kameraden erbarmungslos getötet. Und dennoch musste er sich überwinden.
    Kinga streckte den Arm aus und berührte Aksama an der Schulter. Der Wahnsinnige richtete sich abrupt auf, wich aber nicht zurück. Kinga trat einen weiteren, letzten Schritt näher – und umarmte sein Gegenüber.
    Aksamas Leib wurde steif. Er zitterte, wollte für einen Moment zurückweichen. Blieb schließlich doch stehen und lehnte sich mit all seinem Gewicht gegen Kinga. Er schluchzte laut auf, krampfte seine Hände um Kingas Hüften. Weinte wie ein kleines Kind, das seine lang vermisste Mutter in den Armen hielt.
    »Ist schon gut«, murmelte Kinga unbeholfen, »alles wird gut, alles kommt wieder in Ordnung. Iinz wird dich für immer beschützen. Du warst stets ein treuer Diener; sie wird nicht erlauben, dass dir etwas Böses widerfährt.«
    Trotz allen Widerwillens hielt er Aksama fest, konzentriert und auf die schlimmste Überraschung gefasst. Die Stimmung des ehemaligen Woormreiters mochte jeden Moment kippen. Er musste die Gunst der Stunde nutzen.
    »Ich verlasse Iinz’ Reich so rasch wie möglich.« Kinga streichelte über Aksamas Haar. »Sag mir, wo ich die Prinz… wo ich die Frau finde, und wo sich ein Ausgang aus dem Labyrinth befindet. Ich nehme Lourdes mit mir und verspreche dir, dass ich niemals wiederkomme. Niemandem werden wir verraten, dass du hier unten bist. Ich sorge dafür, dass du nicht gestört wirst und dich weiterhin Iinz widmen kannst.«
    Aksama blickte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. »Das würdest du für mich machtun?«
    »Zhulu hat mir das Amulett mitgegeben, nicht wahr? Er vertraut mir; also solltest du dasselbe tun.«
    Aksama wand sich aus der Umarmung, tat ein paar Schritte zurück und führte einen seltsamen Freudentanz auf. Immer wieder trat er gegen den warmen und seltsam nachgiebig wirkenden Boden. »Ja, du bist ein Freund, ein besonderer Freund. Ich hab dir das Leben gerettet, und du hast das Amulett, und du wirst mir helfen…«
    Kinga schwindelte. Neuerlich hielt er sich am Stalagmit fest. Er durfte nur keinen Fehler machen. Ein einziges falsches Wort, und die Chance war dahin.
    »Ich kann Iinz spüren«, sagte er, einer Eingebung folgend, und sah sich in der Höhle um. »Sie ist da, erfüllt den Raum, erhöht meinen Geist.«
    »Nicht wahr?«, rief Aksama begeistert und klopfte sich gegen die nackten Oberschenkel. »Ist sie nicht prachtwundervoll? Sie schenkt uns Leben, ist die Mutter allen Seins, ist mehr als wir alle zusammen.«
    Neuerlich verlor er sich in Gebrabbel. Betete die stets gleichen Phrasen herab, als wären sie das Wichtigste in seiner seltsamen, verqueren Welt – und wahrscheinlich war es auch so.
    »Es tut mir Leid, dass ich nicht hier bei Iinz bleiben kann«, fuhr Kinga fort. »Ich muss in die Welt des Lichts zurückkehren und dort meine Pflichten erfüllen. Stets werde ich an diesen Moment zurückdenken, da ich dieses göttliche Wesen gespürt habe.« Er seufzte theatralisch. »Wenn doch nur die Frau an unseren Erfahrungen teilhaben könnte, bevor wir von hier verschwinden.«
    »Kannstdarfst du, natürlich!« Aksama tat aus dem Stand einen Salto rückwärts und landete breitbeinig. »Sie ist dort hinten«, – er deutete nach halblinks –, »in einer halb verschütteten Grube, die Iinz nicht mehr benötigt. Hol die Frau her, hol sie her! Lass uns zu dritt mit Iinz sprechen und tanzen; danach geht ihr zurück ins Licht, jawohl, die entgegen gesetzte Richtung, immer der widerlich frischen Luft nach, bäh, die Iinz und ich nicht mögen…«
    »In einer Grube finde ich Lourdes?«
    »Ja. Mach schnell, schnell! Ich begleite dich. Holen wir sie heraus, machen wir sie so glücklich, wie wir beide es sind.« Aksama drehte sich um und marschierte vorneweg. Machte immer wieder lustig anmutende Seitenschritte, drehte sich im Kreis, klatschte in die Hände.
    Kinga folgte ihm, beruhigend lächelnd.
    Er wartete den richtigen Moment ab.
    Und stach Aksama schließlich die abgebrochene Spitze des Stalagmiten mit aller Kraft in den Nacken.
    ***
    Es gab keine Steigerung zu dieser Form des Albtraums, im dem Lourdes seit Tagen lebte.
    Die Ermordung ihrer Leibwächter. Die Entführung. Die Verschleppung hinab in die Tiefen der Großen Grube. Endlose Wege entlang durch die Dunkelheit. Husten. Durst. Verätzter Mundraum und schmerzende
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher