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VT01 - Eine Wunde in der Erde

VT01 - Eine Wunde in der Erde

Titel: VT01 - Eine Wunde in der Erde
Autoren: Michael M. Thurner
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fuhren in der Nähe der Großen Grube in den Boden, setzten einen Baum in Brand. Wie ein Mahnmal reckten sich die Flammen für ein paar Sekunden in die Höhe und wurden bald darauf vom folgenden Regenguss gelöscht.
    Zhulu blickte kurz hoch, machte aber keine Anstalten, die Arbeit auszusetzen. Unbeirrt erntete er weiter, mit noch mehr Verve und Konzentration als zuvor. Er war die Pflichterfüllung in Person. Die Maasfrüchte mussten eingebracht werden; komme, was wolle.
    Er beendete die dritte Reihe, lenkte Thotto in die Gegenrichtung, fuhr unbeirrt fort.
    »Meinst du nicht, wir sollten eine Pause machen?«, rief ihm Kinga zu.
    »Auf keinen Fall.« Mehr sagte der Quarting nicht.
    Donner. So heftig, dass der Boden erzitterte.
    »Die Erntehelfer sollen kommen und mit der Arbeit beginnen«, forderte Zhulu.
    Nabuu nickte, holte Luft und stieß kräftig ins Arbeitshorn. Frauen und Männer kamen über das hügelige Land herbei. Sie hatten in der Nähe geruht und auf ihren Einsatz gewartet. Die Pflücker zogen wacklige Karren über die breit aufgerissenen Schollen hinweg.
    Mit ängstlichen Seitenblicken auf die Woorms näherten sie sich der ersten umgemähten Maasreihe. Sie hielten einen gehörigen Respektabstand zu den Tieren, die drei- bis viermal so lang wie sie selbst waren.
    Kinga nickte der einen oder anderen Daam zu, der er beigewohnt hatte. Schüchtern, aber auch stolz erwiderten sie seine Grüße.
    Geschickt tänzelten die Frauen und Männer nun über den schmalen Streifen zwischen den beiden Maelwoorms, huschten zwischen umgemähten Blättersplittern hin und her, packten die kopfgroßen Früchte und drehten sie aus ihren Hülsen. Dann warfen sie sie weiteren Helfern zu, die sie wiederum in den Kühlbehältern auf den Karren unterbrachten.
    Sechs Reihen waren vom Viertwoorm abgeerntet, vier weitere standen noch an. Thotto und Zhulu arbeiteten mit Höchstgeschwindigkeit. Es schien, als wären sich die beiden einig, ihre Arbeit noch vor Beginn des Regens zu Ende zu bringen.
    Blitz und Donnerschlag folgten in immer kürzeren Abständen. Die Erde bebte. Ein schwarzer Vorhang legte sich über das Bergland im Norden. Der Wind frischte auf, wurde rasch stärker.
    »Schneller!«, feuerte Kinga die Erntearbeiter an, während er Xhusa weiterhin parallel zu Thotto durch die aufgewühlte Erde dahin gleiten ließ.
    Wo war Nabuu abgeblieben?
    Kinga sah sich um, konnte seinen Freund nirgends erblicken. War er etwa davongelaufen?
    Dort eilte er dahin, weit im Westen! Er schob seinen Maelwoorm in rasendem Tempo auf die Stadt Kilmalie zu.
    Verdammt! Sie beide wurden benötigt, um die Erntekörbe auf ihren Tieren rechtzeitig in Sicherheit zu bringen. Die Gefäße waren nicht zu hundert Prozent wasserdicht. Zu große Feuchtigkeit verdarb die Früchte, würde sie bei der Feilbietung in den Märkten der anderen Städte um mehr als die Hälfte entwerten.
    Zhulu fluchte unbeherrscht. Thotto bockte, drohte seinem Zügelwerk zu entgleiten. Das Gehör der Maelwoorms mochte eingeschränkt sein – aber sie konnten sehr wohl die Vibrationen fühlen , die den Boden durchliefen. Die bedrohliche schwarze Wand kam immer näher, warf einen breiten Schatten über das Land.
    Dies war kein normales Sommergewitter, wie es immer wieder mal Kilmalie und die anderen Städte bedrohte. Es war mehr, viel mehr: einer von jenen berüchtigten Stürmen, von denen die Alten in langen Winternächten erzählten und die so intensiv, so Furcht erregend waren, dass man böse Götter hinter ihrem Treiben vermutete.
    Thotto warf sein breites, flaches Körperende unkontrolliert zur Seite, traf einen der Erntehelfer, schleuderte ihn meterweit zur Seite. Der Mann tat einen Schmerzschrei, verstummte gleich wieder und blieb in unnatürlich verrenkter Haltung liegen.
    »Lasst ihn liegen!«, rief Kinga. Er korrigierte den bemerkenswert ruhig gebliebenen Xhusa ein wenig und vertrieb zwei Frauen, die herbeigestürzt kamen, um den Mann hochzuheben. »Er ist tot; macht gefälligst mit der Ernte weiter!«, befahl er.
    Endlich bekam Zhulu seinen Viertwoorm wieder unter Kontrolle. Er schickte das Tier in die vorletzte Erntereihe, ließ es so rasch wie niemals zuvor arbeiten. Da und dort würde ein Maasstiel stehen bleiben; die Hauptsache war, dass ein Gutteil der Früchte geborgen werden konnte.
    Ruhe kehrte ein. Sie kam mit erschreckender Plötzlichkeit. Es schien Kinga, als hielte das Land den Atem an. Zugvögel, die sonst mit Vorliebe aus dem Geäst der Brotbäume herab
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