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VT01 - Eine Wunde in der Erde

VT01 - Eine Wunde in der Erde

Titel: VT01 - Eine Wunde in der Erde
Autoren: Michael M. Thurner
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Hatte sie die Flucht angetreten, war zurück in die Himmelsstadt gereist? War ihr das Risiko zu groß geworden, hatte sie sogar den Witveer zurückgelassen?
    Der Lenker zuckte mit den Schultern. Möglicherweise hatte er bereits damit gerechnet, alleine hier im Hinterland der Provinz Masaai zurückzubleiben. Mit diesem prächtigen Vogel, der seinen Befehlen gehorchte, würde es ihm aber ein Leichtes sein, in die Himmelsstadt heimzukehren.
    Er lenkte den Witveer in eine letzte Landeschleife. Dort unten, nahe der Großen Grube, marschierte eine kleine Gruppe Versprengter. Sie taumelten, schienen nicht ganz bei Sinnen. Einer von ihnen trug auf seiner Schulter eine Verletzte.
    Der Witveer beendete seine Kurve. Er bereitete sich auf die Landung vor. Der Lenker ließ den Vogel abrupt absinken, wohl um ein letztes Mal der Verachtung für seine ungewollten Passagiere Ausdruck zu verleihen. Kingas Magen stülpte sich nach oben; schon in den Bergen hatte er von sich gegeben, was an Nahrung und Flüssigkeit in ihm gewesen war.
    Mit der üblichen Sanftheit setzte der Vogel schließlich auf. Er lief aus, krächzte vergnügt und setzte sich wie gehabt auf seinen breiten Körper, während die Kilmalier herbeigelaufen kamen und ihn umringten.
    Endlich fand der Lenker seine Sprache wieder; fluchend ließ er die Städter provisorische Haltetaue im Boden verankern, um schließlich die beiden Dampfmeister, Nabuu und Kinga über eine Knotenleiter abzuseilen.
    Augenblicklich wurden sie von den Menschenmassen umringt, auf Schultern gehoben, in die Luft geworfen. Auch der Lenker wurde herzlich aufgenommen. Er ertrug die Begeisterung mit sichtlichem Widerwillen. Kinga konnte nur allzu deutlich spüren, dass er mit der herzlichen Impulsivität der Kilmalier nichts anzufangen wusste.
    Die Hurra-Schreie wollten einfach kein Ende nehmen – und dennoch meinte Kinga, eine unterschwellige, von Angst geprägte Stimmung auszumachen.
    Fakalusa und Omoko verloren sich in Superlativen über ihr Heldentum. Geschenke wurden in Aussicht gestellt, edle Schwüre geleistet, Versprechungen gegeben.
    Lediglich Zhulu hielt sich abseits. Er sah dem bunten Treiben zu, ohne selbst einzugreifen. Kinga wühlte sich schließlich aus dem Gemenge, schob ein paar Arme unwirsch zur Seite und gesellte sich zum Quarting. »Wo sind die Prinzessin und ihr Gefolge?«, fragte er.
    »Du und Nabuu – ihr habt ausgezeichnete Arbeit geleistet«, wich Zhulu einer Antwort aus. Er wirkte müde. Zu Tode erschöpft.
    »Wir hatten Glück. Aber beantworte mir bitte meine Frage.« Die Unruhe, die ihn seit Stunden im Griff hielt, wurde immer drängender. Da blieb kein Platz für Höflichkeiten dem Höherrangigen gegenüber.
    »Es gibt Dinge, die noch nicht ganz aufgeklärt sind. Dinge, die im alles verbergenden Nebel geschahen.«
    »Weich nicht aus, Quarting! Was ist geschehen?«
    Zhulus Schultern fielen nach vorne. Er schien mit einem Mal all jener Kraft und Energien beraubt, um die Kinga den Älteren stets beneidet hatte.
    »Komm mit«, flüsterte der Oberste Woormreiter. Er marschierte vorneweg. Auf einen schmalen Spalt zu, aus dem stinkender, gelber Schwefelrauch drang.
    Kinga blickte hinab. Knapp unterhalb befand sich ein breiter Vorsprung. Breit genug, um mehrere Körper aufzunehmen, die von groben Tüchern bedeckt waren.
    Sein Herz raste. Befand sich die Prinzessin unter den Toten? Was war geschehen? Warum…
    Er sprang hinab, riss ein Leinenband nach dem anderen von den Opfern der letzten Stunden. Zhulu folgte ihm, ohne ein Wort zu sagen.
    Soldaten lagen da. Mit weit aufgerissenen Augen und zerschmetterten Schädeln.
    »So haben wir sie gefunden«, sagte Zhulu. »Wenige hundert Meter von hier.«
    »Die Prinzessin…«
    »Sie befindet sich nicht unter den Toten. Wir vermuten, dass sie verschleppt wurde. Zwei Farmer haben gesehen, wie grässlich verunstaltete Wesen sie in Richtung der Großen Grube brachten.«
    Die Versprengten! Er hatte sie vom Rücken des Witveer aus gesehen.
    » Wer hat sie entführt? Wir müssen ihnen augenblicklich nach…«
    »Warte!« Zhulu hielt ihn am Arm fest. »Das waren keine Menschen.«
    »Das ist mir gleich! Wir haben Verantwortung für Lourdes übernommen und sind es ihr schuldig, alles für ihre Rettung zu übernehmen.«
    »Sieh dir diesen Toten genauer an!«, herrschte Zhulu ihn mit jäh aufloderndem Zorn an. Er drückte Kinga zu Boden. Deckte einen weiteren Leichnam auf und drehte ihn zur Seite. Deutete auf die zertrümmerte Schädeldecke. Kingas
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