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Vorstandssitzung im Paradies

Vorstandssitzung im Paradies

Titel: Vorstandssitzung im Paradies
Autoren: Arto Paasilinna
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Passagiere bei der Havarie ums Leben gekommen waren: Eine schwedische Krankenschwester war von einem Hai zerrissen worden, und ein finnischer Waldarbeiter war an den Verletzungen gestorben, die er sich beim Aufprall in der Maschine zugezogen hatte. Die Überlebenden hatten ihre Leichen im Sand vergraben.
    Wir hatten so gut wie nichts zu essen. Und auch keine Zigaretten. Lediglich Wasser konnten wir uns beschaffen, und das tranken wir Unglücklichen sehr nachdenklich.
    Das Einzige, womit wir ausreichend versorgt waren, waren Rettungswesten. Sie lagen wie zum Verkauf im Sand aufgeschichtet. Es kam zu keinerlei organisiertem Handel. Ideen wurden geäußert, und natürlich kreiste die Unterhaltung ausschließlich um die Besorgnis erregende Ernährungssituation. Seit dem Absturz der Maschine waren immerhin schon mehrere Tage vergangen, und alle hatten sich mit fremdartigen Dschungelfrüchten und den eisernen Rationen des Rettungsfloßes begnügen müssen. Nur spärliche Reste waren noch übrig. Es sah nicht gut für uns aus.
    Als ich fragte, wo das Flugzeugwrack war, erzählten mir mindestens zehn Leute auf einmal, dass es in der Nähe der Riffe auf dem Meeresgrund lag – und dass sich dort scharenweise Haie herumtrieben. Ich schlug vor, dass wir mit dem Rettungsfloß zu dem Wrack rudern und tauchen könnten, um Proviant heraufzuholen. Die Haie dürften jetzt, nach mehreren Tagen, längst weg sein.
    Aber wie sollten wir mit dem Floß dorthin gelangen, wenn wir keine Ruder hatten?
    So wurde weiter sinnlos hin und her geredet. Als ein finnischer Arzt namens Vanninen vorschlug, dass wir aus unserer Mitte zwei, drei Personen zu Anführern wählen sollten, sprach ich mich ebenfalls dafür aus. Die Gruppe schloss sich dem an.
    Gewählt wurden Doktor Vanninen, eine schwarzhaarige finnische Hebamme von etwa fünfzig Jahren, und der Dritte im Bunde war ich.
    Wir drei zogen uns an den Rand des Dschungels zurück, um uns zu beraten. Die schwarze Hebamme erklärte sich bereit, eine kleine Gruppe zusammenzustellen und mit ihr auf Nahrungssuche in den Dschungel zu gehen. Vanninen und ich nickten zustimmend. Wir empfahlen ihr, jemanden mitzunehmen, der sich mit den Himmelsrichtungen auskannte, vielleicht den Navigator des Flugzeugs.
    Die schwarze Hebamme brach mit etwa zehn Männern und Frauen auf. Wir gaben ihnen das kleine Beil aus dem Rettungsfloß mit, damit sie sich ihren Weg durchs Dickicht bahnen konnten.
    Vanninen sagte zu mir, dass er ebenfalls der Meinung sei, wir sollten uns zu dem Wrack aufmachen.
    »Dort drinnen sind Kanister mit Lunchportionen und noch vieles andere, was wir gebrauchen könnten, zum Beispiel medizinischer Bedarf und das Werkzeug der Waldarbeiter. Außerdem müssten dort auch ein paar Tonnen Milchpulver lagern, aber die sind bestimmt durchs Meerwasser unbrauchbar geworden.«
    Er erzählte, dass das Wrack seines Wissens ziemlich dicht am Ufer lag, also diesseits der Korallenriffe, vielleicht zwei Kilometer vom Strand entfernt. Dort waren am Morgen nach der Rettung die Haiflossen gesichtet worden.
    Wir beschlossen, trotz der Haie einen Versuch zu wagen. Unser Plan sah vor, dass wir zunächst die erforderlichen Geräte – Ruder und Paddel – anfertigten. Weil die in den Dschungel entsandte Gruppe unser einziges Beil mit sich führte, warteten wir auf ihre Rückkehr.
    Die schwarze Hebamme und ihre Mitstreiter kamen nach zwei Stunden erschöpft zurück. Sie blickten unglücklich drein, ihre Gesichter waren verschwitzt und müde. Viel Essbares hatten sie nicht gefunden, nur ein paar Kokosfrüchte, eine Hand voll Wurzeln und eine grüne Schlange, deren Kopf sie platt gehauen hatten. Die Kleidung der Teilnehmer war zerrissen, und ihre Haut war von den Zweigen der Bäume aufgeschürft. Zwei Männer, finnische Waldarbeiter, sagten verbittert, dass solche Unternehmungen ihrer Meinung nach künftig unterbleiben konnten, denn das Ergebnis sei völlig für die Katz.
    Die Schlange wurde über dem Feuer geröstet, die Früchte zerteilt, und die Wurzeln aßen wir pur. Schweigend verzehrten wir unsere Mahlzeit, ohne jede Spur von Andacht.
    Nach dem Essen gingen Vanninen und ich mit ein paar Männern in den Dschungel, um passendes Holz für die Herstellung der Ruder zu suchen.
    Wir benutzten den Pfad, den unsere Vorgänger gebahnt hatten. Drinnen im Dickicht war es fast dunkel. Allerlei bunte Vögel flatterten in den Zweigen herum, ihr lautes Gezwitscher begleitete uns. Als wir etwa einen halben Kilometer vorgedrungen
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