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Vorstadtprinzessin

Vorstadtprinzessin

Titel: Vorstadtprinzessin
Autoren: Carmen Korn
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ein Eis aus«, sagte Sigi und stand auf. Er hatte Lucky entdeckt, bevor Theo ihn sah. Es war schon kurz vor sechs.
    Ihnen stand gar nicht der Sinn nach Eis, doch sie löffelten die zwei Kugeln, um Sigi nicht zu kränken.
    »Hast du in letzter Sekunde einen Ölwechsel machen müssen?«, fragte Theo und sah auf Luckys nicht ganz saubere Hände.
    »Ein Kunde war noch da und hat einen Aufstand gemacht, weil der Motor seiner Karre ihm nicht lieblich genug in den Ohren klang.« Lucky verschwieg, dass die Karre ein Jaguar XJ war und Lenis Vater gehörte, der von seiner Tochter begleitet wurde. »Du hast doch dieses Geräusch als Erste gehört«, hatte ihr Vater gesagt, und es war Lucky klar geworden, dass Leni einen Grund gesucht hatte, in die Werkstatt zu kommen.
    »Was hältst du von der Sache?«, fragte Theo.
    »Das tote Mädchen? Shit happens«, sagte Lucky. Er dachte an Leni, die ihn angelächelt hatte, als sei sie nicht im Geringsten verstimmt wegen der geplatzten Liebesszene am Seechen. Dieses Lächeln konnte auch ihrem Vater kaum entgangen sein.
    »Warum liegt sie in unserem Wald?«, bohrte Theo weiter. »Warum nicht in den Harburger Bergen? Da gibt es doch auch Wälder.«
    »Warum da?«, fragte Lucky.
    »Weil Sigi gehört hat, dass sie aus Harburg kommt. Warum hat der Täter die Leiche durch die ganze Stadt gekarrt, um sie hier abzulegen?«
    »Vielleicht war sie noch quietschfidel, als sie hergekommen ist. Wollte unsere schöne Gegend kennenlernen und trifft ihren Mörder.«
    »Trifft ihren Mörder«, sagte Theo. »Dann war es einer von hier.«
    Lucky sah sich nach Sigi um. Der stand an einem Tisch, an dem ein paar Hühner aus Mias Klasse saßen. Seine Schwester war nicht dabei.
    »Willst du auch ein Weizen?«, fragte er. Theo schüttelte den Kopf.
    »Ein Weizen, bitte«, sagte Lucky laut und erstarrte in der Bewegung.
    Theo sah das Mädchen im nächsten Moment und kniff die Augen zusammen. Ein Strahl Sonne hatte sich auf ihr helles Haar gelegt.
    »Da ist Leni«, sagte Lucky. Seine Stimme klang rau.
    Ein Glück, dass Leni in den Schatten der Kastanien trat. So konnte Theo sie mit offenen Augen sehen. Er betrachtete sie und hoffte, dass sein Herzschlag wieder in Takt kam. Doch der tat eher das Gegenteil, als Leni vor ihrem Tisch stand.
    »Doch nicht nur für Kleinkinder, das Tre Castagne?«, fragte Lucky und hätte sich auf die Zunge beißen können. Er entwickelte sich zum König des Fettnapfes, sobald Leni aufkreuzte.
    Leni sah zu Theo. »Da bin ich mir nicht so sicher.«
    Theo verfluchte die Röte, die ihm ins Gesicht stieg. Er stand auf.
    »Ich will dich nicht vertreiben«, sagte Leni.
    Genau das wollte sie, dachte Theo. Er senkte den Kopf und legte das Geld für zwei Gläser Cola auf den Tisch.
    »Das ist Theo«, sagte Lucky. Er klang verlegen. Was immer er jetzt tat, war falsch. Theo gehen lassen. Theo zum Bleiben zu bewegen.
    »Wir sehen uns morgen«, sagte Theo. Lucky und er hatten gar nichts verabredet, doch er sagte es, damit sein Abgang nicht kläglich geriet.
    »Klar«, sagte Lucky und hielt die Hand hoch, damit Theo einschlagen konnte. Das taten sie sonst nie. Vielleicht wollte Lucky ihm damit seine Verbundenheit ausdrücken. Vielleicht hatten sie beide die Hoffnung, lässig auszusehen.

    Er hatte den Sonnenstrahl auf ihrem Haar gesehen und die Erkenntnis schnitt ihm ins Herz. War er wirklich so vermessen gewesen zu glauben, es gäbe kein anderes Geschöpf mit goldenen Haaren? Kein anderes als dieses, das er im Wald zurückgelassen hatte? Er schloss die Augen und hoffte, sie geriete ihm aus dem Blick und fände nie mehr hinein. Er sah sie nicht mehr, als er die Augen öffnete. Doch da wurde ihm nur eine Frist gewährt. Das wusste er.

    Theo schloss die Tür auf. Stille. Keine Stimmen. Nicht von Ma und Pa und nicht aus dem Fernseher. Klar. Es war Dienstag. Da hatte seine Mutter ihre Chorprobe in der Kirche und sein Vater den langen Tag in der Verwaltung. Auf dem Küchentisch lag ein Zettel, der auf Brote im Kühlschrank verwies. Theo war erleichtert, allein zu sein. Seine Mutter hätte in seinem Gesicht gelesen.
    Er nahm den Teller mit den Tomatenbroten hinauf in sein Zimmer und stellte sich vor den Spiegel, der früher im Flur gehangen hatte, bis dorthin ein größerer kam, und Ma befand, ein junger Mann müsse sein Aussehen kontrollieren, bevor er aus dem Zimmer trat. Wahrscheinlich hatte sie nur eine Lösung für den alten Spiegel gesucht.
    Was las er in dem langen blassen Gesicht? Sah er wirklich so
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