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Vorstadtprinzessin

Vorstadtprinzessin

Titel: Vorstadtprinzessin
Autoren: Carmen Korn
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dachte, du solltest schon seit sieben in der Werkstatt sein«, sagte er.
    »Auftrag von der Chefin. Zulassungspapiere abholen.«
    »Hab kaum ein Auge zugetan heute Nacht«, sagte Theo.
    »Nimmt dich die Leiche so mit?«
    Theo sah zu ihm hinüber. »Irgendwie schon.«
    Lucky nickte. »Wo nun klar ist, dass es nicht der alte Henze war.«
    »Da weißt du mehr als ich.«
    »Den haben sie gestern irgendwo in Hessen aufgetan. Hat mir meine Mutter erzählt und die hat es von der Nachbarin der Henzes. Ich hatte gar nicht mitgekriegt, dass er der Typ mit dem Alzheimer war.«
    »In Hessen. Da findet ein verwirrter alter Mann hin?«
    »Hatte wohl einen lichten Moment. Ist in den Zug von Hamburg nach Frankfurt gestiegen. Von da stammt er her. Alte Heimat.«
    »Und ist zum Schalter gegangen und hat eine Karte gelöst?«
    Lucky hob die Schultern. »Ich bin gestern noch herumgefahren«, sagte er, »hab mir den Auftrieb vorm Wald angucken wollen.«
    »Du bist schnell wieder abgehauen. Ich hab dich gesehen.«
    Lucky schaltete krachend in den nächsten Gang.
    »Wo warst du denn da?«, fragte er.
    »Bei den Ställen vom Ponyhof. Ich hatte das Fernglas dabei. Wer war denn die Frau neben dir?«
    »Keine Frau«, sagte Lucky, »ein Mädchen.«
    Er hielt vor dem Sandsteinportal eines alten Klinkergebäudes. »Non scolae sed vitae discimus« stand über dem Portal. Vor zwei Jahren war Lucky das letzte Mal da durchgegangen.
    »Spring rein in deine Bildungsstätte«, sagte er.
    »Wer war das?«, fragte Theo.
    »Du interessierst dich doch sonst nicht so für meine Damen.«
    »Ihre Haare sind sehr hell«, sagte Theo.
    »Musstest du die Augen zusammenkneifen?«
    Theo öffnete die Autotür.
    »Das war Leni«, sagte Lucky, »die kennst du nicht.«
    »Und wer war die Leiche?«, fragte Theo.

Helles Haar
    D ie Tote war jung. Ihre Haare waren hell wie der Weizen, der anfing, auf den Feldern zu wachsen. Die Würgemale an ihrem Hals schimmerten bläulich. Sie hatte einen Tüllrock angehabt und eine Bluse, an der Knöpfe fehlten. Ihre Füße hatten in fellgefütterten Stiefeln gesteckt. Jetzt wurde sie in der Rechtsmedizin der Universitätsklinik verwahrt.
    Keine Vergewaltigung. Vielleicht war der Täter gestört worden. Vielleicht war es ihm um etwas anderes gegangen.
    Ihre Eltern waren unterwegs zu ihr. Von einer kurzen Reise kommend.
    Konnte man ein siebzehnjähriges Kind nicht allein zu Hause lassen? Unbeaufsichtigt? Unbehütet?
    Diese Frage würden sie sich bis zum Ende ihres Lebens stellen.
    Die Frage, wie sie in einen Wald im Norden von Hamburg gekommen war, stellten sich die Kommissare, die nun zu der Soko Wald gehörten.
    Das weizenblonde Mädchen hatte am südlichen Rand der Stadt gelebt.
    Achtunddreißig Kilometer Luftlinie.
    Vielleicht war sie in einem Kofferraum gereist.

Drei Kastanien
    T heo saß im Schatten einer Kastanie und trank die zweite Cola. Lucky war noch nicht aufgetaucht. Eigentlich wurde in der Autowerkstatt nur bis siebzehn Uhr gearbeitet.
    Die Nachricht, dass die Tote im Wald ein Mädchen gewesen war, so alt wie er, hatte ihn nach der Schule im Bus erreicht. Der Fahrer hatte mit einer Frau darüber gesprochen, die hinter ihm saß und sich vorlehnte und sich laut ausließ über eine kaum bekleidete Leiche, die unter einem Farn gelegen habe.
    Theo stand nicht weit von ihr, doch er wurde in den hinteren Teil des Busses gedrängt, als weitere Leute zustiegen. Als der Bus sich leerte, fand Theo Platz auf der hintersten Sitzbank, sah dort eine Bildzeitung liegen und wusste, woher die Frau ihre Weisheit bezogen hatte.
    »Du wartest auf deinen Kumpel?«, fragte Sigi und ließ sich auf einen der Klappstühle fallen, die vor dem Tre Castagne standen. »Schlimme Sache da im Wald«, sagte er. Sigi färbte sich seine Haare schwarz, seit er Pizza und Eis anbot. Fehlte nur noch, dass er anfing, italienische Lieder zu singen.
    Theo nickte. Er hatte eine Scheu, mit Sigi darüber zu sprechen.
    Seine Mutter hatte so verzweifelt ausgesehen, als sie ihm am Nachmittag die Tür geöffnet hatte. »Dass du endlich da bist«, hatte sie gesagt und Tränen in den Augen gehabt. Er war keine Minute später aus der Schule gekommen als an anderen Dienstagen.
    »Es ist nicht die Jagd auf Siebzehnjährige eröffnet«, war Theos Antwort gewesen. Was ließ ihn da so sicher sein?
    »Sie soll aus Harburg kommen«, sagte Sigi. Ein Gastwirt hörte viel.
    Harburg kannte Theo nur vom Daranvorbeifahren, wenn man über die Elbbrücken nach Süden fuhr.
    »Ich gebe euch
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