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Vorstadtprinzessin

Vorstadtprinzessin

Titel: Vorstadtprinzessin
Autoren: Carmen Korn
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Arzt, zu dem er sie fuhr. Ihr Magen war in Ordnung. Ihr Appetit beachtlich. Doch sie kotzte. Wenn auch in großen Abständen.
    »Du wirst deine alten Eltern nicht in diesem Elend lassen. Deine Mutter und ich hatten genügend Kummer mit dir.«
    »Ich komme«, sagte Hardy seufzend. »Doch ich kann nicht fliegen. Bis zu euch ist es ein ziemliches Stück. Lüftet wenigstens schon einmal.«

    Maman hatte ihr ein Päckchen geschickt. Zum Advent. Leni packte es aus und fand eine Jacke von Petit Bateau darin, ihrer alten in Mint sehr ähnlich, doch diesmal stand 18 A auf dem eingenähten Stoffschildchen. Dixhuit ans. Im Januar würde Leni achtzehn Jahre alt werden.
    Leni war sehr gerührt von diesem Geschenk. Vielleicht tat es Maman nun doch gut, dass sich Julien von ihr getrennt hatte. Sie konnte wieder an etwas anderes denken als daran, einen zu jungen Mann festzuhalten.
    Paps sah das Geschenk und wurde traurig. Warum konnten Helène und er nicht gemeinsam versuchen, dieses Kind glücklich zu machen. Oder es doch wenigstens zu retten.
    Leni zog die Jacke an und kämmte ihre goldenen Haare.
    Sie hatte Sehnsucht nach Maman.
    Maman sollte zu ihr und Paps kommen.
    Paps setzte sich an den alten Sekretär aus Nussbaum, der in seinem Schlafzimmer stand, und schrieb seiner Frau einen Brief.
    »Komm zurück«, schrieb er. »Bitte.«

    »Bist du krankgeschrieben?«, fragte Hardys Vater. »Verärgere deine Firma nicht. Du bist sechsundvierzig. Da gibt es nicht viel anderes.«
    »Wäre ich in der Firma«, sagte Hardy, »könnte ich nicht Mutters Kotze aufwischen.« Es würgte ihn, als er es tat.
    »Reiß dich zusammen, Richard«, sagte sein Vater.
    Hardy putzte das Schlafzimmer und das Bad. Er spülte das Geschirr, das schmutzig in der Küche stand. Danach war er heiserer denn je.
    »Schaff auch noch die alten Läufer weg«, sagte Hardys Vater. »Deine Mutter und ich wollen sie nicht mehr.«

    Weder Hardy noch Nils waren da, als die Kirche festlich strahlte.
    Nur eine Kerze, die auf dem großen Adventskranz brannte, der über dem Taufbecken hing. Doch die eine Kerze erhellt für hundert Kerzen, dachte Theos Mutter. Sie war es, die das Solo sang.
    »In the bleak midwinter«, sang sie, »frosty wind made moan.«
    Dass sie den Mut fand, dort zu stehen und zu singen.
    »If I where a shepherd, I would bring a lamb«, sang Theos Mutter.
    Sie sah ihren Sohn, und sie sah Lucky und das hellblonde Mädchen, das in ihrer Mitte saß. Fellstiefel an den Füßen.
    Theos Vater war zu Hause geblieben. Vielleicht wäre er gekommen, hätte er gewusst, dass Hardy noch immer heiser war. Er hatte diesen gut aussehenden Mann als Gegner in einem Zweikampf erkannt, dem er sich nicht länger stellte, seit er von der verschlossenen Kirchentür weggeschlichen war wie ein geprügelter Hund.
    Sollte Gesa es entscheiden.
    Gerd Ansorge ahnte nicht, dass seine Frau es längst entschieden hatte.
    Der Chorleiter staunte, wie gut Gesa Ansorge ihr erstes Solo sang, und das nach nur zwei Proben. Sie war sein neuer Trumpf für die Soli. Dankwart Trüber fühlte sich erleichtert, nicht länger nur auf den neurotischen Nils und auf Hardy angewiesen zu sein.
    Es war an diesem ersten Sonntag im Advent, dass Lucky das Buch in die Hand nahm, das »September« hieß und aus Ellerbeks Haus kam.
    Seiner Mutter würde dieser Roman von Rosamunde Pilcher sicher gefallen. Ein kleines Geschenk zum ersten Advent, dachte Lucky.
    Mama hatte schwere Monate hinter sich.
    Höchste Zeit für Gemütlichkeit.
    Das Buch war wirklich gut erhalten. Lucky blätterte es durch, als sei Pilchers September ein Daumenkino. Hätte er es nicht getan, wäre erst seine Mutter auf Seite 182 auf die Fotografie gestoßen.

    »Kommt ins Warme«, sagte der alte Arzt, als Theo und Lucky an diesem Sonntagnachmittag vor seiner Tür standen. Er führte sie in das Zimmer, das er noch immer das Sprechzimmer nannte, und stellte einen Stuhl zu den beiden Ledersesseln. »Was habt ihr auf dem Herzen?«
    »Ellerbeks hatten auch eine Tochter«, sagte Lucky.
    Bunsen sah ihn überrascht an und blickte auf das Foto, das Theo ihm gab. »Keine Tochter«, sagte er, »das ist Jan.«
    »Das Mädchen mit den langen hellen Haaren?«, fragte Lucky erstaunt.
    Theo nahm das Bild. Ellerbek war darauf zu sehen. Gute vierzig Jahre jünger. Daneben eine hoch aufgeschossene Gestalt mit hellen Haaren, die ihr auf die Schultern fielen.
    »In dieser Zeit haben viele Jungen ihre Haare lang wachsen lassen«, sagte Theo. Abschied von der
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