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Vorstadtprinzessin

Vorstadtprinzessin

Titel: Vorstadtprinzessin
Autoren: Carmen Korn
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Chorleiter spreizte sich, als habe er selbst gesungen.
    Theo blickte sich um. Luckys Chefin saß da. Vermutlich würde sie ein Teelicht für den Chef anzünden, der vor ein paar Jahren gestorben war. Der Bestatter gleich neben ihr. War ja hier sein Fest.
    Die Flöte spielende Schäferin mit Lamm hatte Theo erst mal hinten in den Schrank gestellt. Ma sortierte seine Wäsche nicht mehr ein.
    Theo wunderte es, dass der Bestatter seine Finger von den Figuren gelassen hatte. Vielleicht glaubte er, Zeit zu haben für seinen Beutezug. Theo fand die Schäferinnen hübsch. Bunt zwar, doch nicht so, dass es ihm in den Augen wehtat.
    »Gib, dass deiner Liebe Glut«, sang der Chor, »unsere kalten Werke töte. Und erweck uns Herz und Mut bei entstandner Morgenröte, dass wir, eh wir gar vergehn, recht aufstehn.«
    Theo stand mit den anderen auf, um die Teelichter anzuzünden, als die Orgel ertönte. Der Chorleiter war nach dem Lied nach oben geeilt.
    Der Pastor sprach von Tanja und den anderen beiden toten Mädchen.
    Im Fürbittengebet bat er darum, auch für den Täter zu beten.
    So weit wollte Theo nicht gehen. Er schwieg.
    Sie setzten sich noch einmal, als die Orgel mit Macht brauste.
    Das Martinshorn des Notarztwagens, der die Straße entlangraste, ging unter in dem Orgelnachspiel von Dankwart Trüber.

    Lenis Vater hatte es für einen freundlichen Sonntagmorgen gehalten.
    Den Frühstückstisch gedeckt. Die Croissants aufgebacken. Den Café Crème vorbereitet. Noch immer bemüht, das Französische nicht zu vergessen, sondern zu fördern für das Kind von Helène und ihm.
    Doch als Leni nicht aufwachen wollte, ihr Atem unruhiger wurde und sie dennoch kaum auf seine Bemühungen reagierte, sie zu wecken, hatte er die 112 angewählt. Er fühlte sich schrecklich allein.
    »Eine Vergiftung«, sagte der Notarzt und spritzte eine Kochsalzlösung in Lenis Vene, um den Kreislauf nicht ganz in den Keller sacken zu lassen.
    Lenis Vater setzte sich in den Notarztwagen und hielt Lenis Hand. Wie konnte es so weit kommen? Er hatte alles richtig machen wollen.

    Lucky platzte mit der Nachricht ins Haus, als Theos Mutter den Teig ausrollte. Das erste Mal seit Jahren, dass sie Plätzchen buk.
    Theo wurde blass. »Wo ist sie?«
    »Im Amalie Sieveking Krankenhaus«, sagte Lucky.
    Ein Zufall, dass Lucky es wusste. Nur weil Lenis Vater schon zu Hause war, nachdem es Leni besser ging. Weichgeknetet von den Ereignissen des Tages und bereit, dem Jungen aus der Werkstatt, der da vor seiner Tür stand, Auskunft zu geben.
    Lucky mochte Leni. Das spürte Lenis Vater.
    Leni konnte gute Freunde gebrauchen.
    »Deine Seelenwäsche hat geholfen«, sagte Lucky zu Theo, »ich will doch auch nicht, dass Leni vor die Hunde geht.«
    »Du hättest mir sagen können, dass du Leni besuchst«, sagte Theo.
    »Morgen fahren du und ich ins Amalie Sieveking«, schlug Lucky vor. »Ich frag die Chefin, ob ich früher Schluss machen darf.«
    Theos Mutter schob das erste Blech in den Backofen, als Theo wieder in die Küche kam. »Was ist mit Leni?«, fragte sie.
    Theo setzte sich an den Tisch, der voller Mehl und Teigreste war.
    »Leni hat Probleme mit Drogen, Ma«, sagte er.
    Ma setzte sich zu ihm und schob die Teigreste zusammen und steckte sie in den Mund. »Du magst Leni sehr gerne«, sagte sie.
    Keine Frage, eine Feststellung von ihr.
    Theo nickte. Seine Mutter seufzte.
    »Warum kann nicht mal was einfach sein«, sagte sie.

    Der Chorleiter hatte Sorge, seinen besten Sänger zu verlieren. Nils war nach dem Gottesdienst zu ihm gekommen und hatte geweint. Er fühle sich verfolgt, hatte Nils gesagt. Vom Kommissar. Von den anderen im Chor. Von den Blicken im Ort.
    »Du bist doch unschuldig?«, hatte der Chorleiter gefragt.
    Nils Freygangs »Ja« hörte sich wie ein Geständnis an.
    Hatte er ihm geglaubt?
    Die Chorauftritte im Advent standen vor der Tür. Hardy erkältet. Nils ein Häuflein Elend. Dabei hatte der Chorleiter herrliche Konzerte geplant.
    Trüber war in hohem Maße bereit, sich keiner Glaubensfrage zu stellen. Er zog es vor anzunehmen, dass der Täter von weither gekommen war.

    Im Haar der toten Tanja waren Federn gefunden worden, die nicht von den Vögeln des Waldes stammten. Daunenfedern von Gänsen und Enten. Viele Jahre alt. Aus der Füllung einer Bettdecke.
    Der Kommissar legte den Telefonhörer auf, nachdem er mit Theo gesprochen hatte, und überlegte, ob er Ellerbeks Haus selbst aufsuchen oder die Spurensucher von der Leine lassen sollte. Doch er hatte
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