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Vorhofflimmern

Vorhofflimmern

Titel: Vorhofflimmern
Autoren: Johanna Danninger
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ist wieder so, wie er sein sollte und sein Kreislauf hat sich
soweit stabilisiert, dass wir ihn nicht mehr beatmen müssen. Die Nacht wird er
aber auf der Intensivstation verbringen. Reine Vorsichtmaßnahme.“
    Ich holte gerade Schwung, um mich zu Desiderio zu begeben,
doch Heimer hielt mich zurück.
    „Immer langsam, Schwester Lena. Geben sie dem Personal noch
ein wenig Zeit, um unseren Doktor erst einmal richtig zu versorgen. Sie werden
hier anrufen, wenn sie soweit sind.“
    „Danke“, sagte ich leise. Mehr brachte ich in diesem Moment
beim besten Willen nicht zustande.
    „Keine Ursache.“ Heimer tippte sich zum Gruß an die Stirn und
verschwand im Arztzimmer.
    Ich begann ungeduldig im Flur auf und ab zu schreiten.
    Alles war gut. Sein Kreislauf war stabil. Er war über dem
Damm.
    Doch richtig überzeugt würde ich erst sein, wenn ich ihn mit
eigenen Augen sehen konnte.
    Inzwischen war es spät geworden und die Nachtschwester kam
herein, um ihren Dienst anzutreten. Lisa fing sie schon beim Eingang ab und
erklärte ihr die Lage. Das erkannte ich an den erschrockenen Blicken, die die
Nachtwache mir ständig zuwarf. Schließlich eilte sie mit einer knappen
Begrüßung an mir vorbei in die Umkleide, um nicht noch irgendwelche
aufmunternden Worte an mich richten zu müssen. Ich war nicht sauer deswegen.
Ich hasste es auch, aufgebrachte Angehörige mit dämlichen Floskeln zu füttern.
    Das Ambulanztelefon klingelte. Ich fuhr herum und starrte
Lisa an, die den Hörer abnahm. Sie nickte mir zu und schon war ich weg.
     
    Ich betrat zum ersten Mal die
Intensivstation nicht als Schwester, sondern als Angehörige.
    Waren die Geräusche der vielen medizinischen Geräte schon
immer so beängstigend gewesen?
    Zögernd trat ich zum Stützpunkt.
    Eine ältere Schwester mit strengem Blick, die ich bisher nur
flüchtig kannte, sah auf.
    „Er liegt in der Eins“, sagte sie sofort und wies mit dem
Kinn in die entsprechende Richtung. Danach wandte sie sich sogleich wieder
ihren Unterlagen zu.
    Befangen ging ich durch den abgedunkelten Flur.
    Ich passierte zwei Krankenzimmer, die mit jeweils zwei beatmeten
Patienten bestückt waren. Desiderios Zimmer war das letzte in der Reihe und ein
Einzelzimmer.
    Kurz vor der Tür blieb ich nochmal kurz stehen, um mich ein
wenig zu sortieren.
    Sein Anblick würde gewiss nicht der Schönste sein. Wenigstens
wusste ich, dass er keinen Schlauch mehr im Hals stecken hatte, was dem Ganzen
gewiss an Schrecken nahm.
    Mir fiel ein, dass ich gar nicht gefragt hatte, ob er
ansprechbar war.
    Nun, das würde ich ja gleich sehen.
    Wenn ich es denn endlich schaffen würde, einzutreten.
    Ich atmete ein paar Mal tief ein und aus. Dann strich ich mir
mit bebenden Händen meine Haare zurück und zwang meine Beine dazu, sich
vorwärts zu bewegen.
    Schon im Türrahmen stoppte ich wieder und blickte entgeistert
in das Zimmer.
    Es war nicht nur Desiderios elendes Aussehen, das mich
verharren ließ, viel eher lag es an der hübschen Blondine, die neben seinem
Bett saß und ihm liebevoll über den Kopf streichelte.
    Das war eindeutig die Frau aus seinem Esszimmer.
    Obwohl ihre Augen und ihre Wangen vom Weinen gerötet waren,
war sie immer noch wunderschön.
    Das Beben meiner Finger breitete sich rasant auf meinem
ganzen Körper aus. Meine Knie drohten ihren Dienst zu versagen und ich spürte,
wie sich Tränen der Wut und Verzweiflung ihren Weg nach draußen bahnten.
    Das war Frau Bauer.
    Desiderio hatte den Ersthelfern ihre Nummer genannt, damit
sie herkommen und ihn unterstützen konnte.
    Mich hatte er nicht erwähnt. Ich war für ihn keine
Angehörige.
    Aber er wusste doch, dass du sowieso hier bist, Dummkopf.
    Blöde, innere Stimme der Vernunft. Ich war jetzt nicht in der
Verfassung logisch zu denken.
    Die Blondine sah auf, weil ich ein leises Schnauben von mir
gab.
    Ich konnte ihren Blick nicht ertragen. Ich musste hier weg.
    „Warte!“, hörte ich sie noch rufen, als ich bereits auf dem
Absatz kehrt machte. „Lena?“
    Überrascht blieb ich stehen.
    Woher kannte die Tussi meinen Namen?
    Langsam drehte ich mich um. Die Blonde war mir inzwischen bis
zum Flur gefolgt.
    „Du bist also Lena?“, wollte sie wissen.
    Ich verschränkte die Arme und hob arrogant eine Augenbraue.
„Ja. Und wer zur Hölle bist du?“
    Im ersten Moment wirkte sie ziemlich erschrocken über meinen
gehässigen Tonfall, doch dann fing sie an zu lachen.
    Geht´s noch? Was war denn hier so komisch?
    „Ja, Desiderio hat also nicht
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