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Vorhofflimmern

Vorhofflimmern

Titel: Vorhofflimmern
Autoren: Johanna Danninger
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worden.
Trotz einer provisorischen Schiene und eines dicken Verbandes zeigte sich eine
unnatürliche Beule an seinem Schienbein, an der ein Teil des Knochens durch die
Haut gedrungen war.
    Das gehetzte Piepsen seines EKGs drang wieder an mein Ohr.
    Mir wurde schlecht.
    Während alle anderen routiniert ihren Aufgaben nachgingen,
stand ich nur da und kämpfte gegen eine drohende Ohnmacht.
    „Dr. DiCastello? Können Sie mich hören?“, fragte der
Anästhesist namens Graml laut, während der Assistenzarzt gekonnt einen venösen
Zugang legte und Blutproben entnahm.
    Desiderio versuchte einige Male die Augen zu öffnen, doch er
verlor immer wieder das Bewusstsein.
    „Sie sind im Krankenhaus“, erzählte der Narkosearzt weiter,
ob er nun gehört wurde, oder nicht. „Sie hatten einen Verkehrsunfall. Jetzt
wird alles gut. Wir kümmern uns jetzt um Sie.“ Er wandte sich an den Pfleger.
„Wir brauchen Volumenersatz. Häng ihm gleich einen Liter in Schuss hin. Danach
braucht er dringend Konserven.“
    Oberarzt Heimer untersuchte mit einem Ultraschallgerät
Desiderios Bauch auf innere Blutungen. Dabei bellte er knappe Anweisungen.
„Sofort zwei Konserven kreuzen und vier weitere bereitstellen lassen. Vorerst
kein Hinweis auf Milzruptur oder ähnliches. Lisa, informieren Sie den OP, dass
wir nach dem CT sofort kommen. Wollen Sie gleich noch intubieren, Herr Graml?
Okay.“
    Lisa drückte mir die Blutproben in die Hand, während sie mit
dem OP-Team telefonierte.
    Ich reagierte nicht.
    Sie schnippte mit dem Finger vor meinem Gesicht und herrschte
mich an: „Lena! Reiß dich zusammen und bring das endlich ins Labor!“
    Erst als sie mir einen kleinen Schubser verpasste, erwachte
ich aus meiner Starre. Sofort rannte ich los.
    Der Gang zum Labor erschien mir doppelt so lang zu sein, wie
sonst. Ich lief mit langen Schritten über den hässlich grünen Linoleumboden und
lauschte dabei auf das rhythmische Klappern meiner Fußsohlen. Das hatte etwas
Beruhigendes. Völlig außer Atem kam ich in dem großen Laboratorium an und
konnte endlich die Proben abgeben. Die Laborantin hatte bereits darauf gewartet
und fütterte sogleich ihre mysteriösen Maschinen mit den Plastikröhrchen.
    „Wir brauchen sofort zwei Konserven im OP“, brachte ich
hervor. „Und vier weitere auf Abruf.“
    Die Laborantin nickte. „Den Hb-Wert gebe ich sofort
telefonisch durch, sobald die Zentrifuge abgeschlossen ist.“
    Dann verschwand sie, um ihrer Arbeit nachzugehen. So wie ich
es auch hätte tun sollen. Schließlich war das nicht das erste Mal, dass ich es
mit einem Schwerverletzten zu tun hatte.
    Es war nur das erste Mal, dass es sich dabei um einen
geliebten Menschen handelte.
    Angst und Panik erfassten mich.
    Alleine an dem hohen Blutverlust könnte Desiderio sterben.
Ganz davon abgesehen, dass er vielleicht zusätzlich noch eine schwere
Kopfverletzung davon getragen hatte, die zu einer Gehirnblutung führen könnte.
    Völlig von der Rolle steuerte ich zurück zu Notaufnahme.
    Als ich um eine Ecke bog, sah ich gerade noch, wie das
Unfallteam Desiderio in den CT-Raum fuhr. Inzwischen war er narkotisiert und
ein dicker Plastikschlauch ragte aus seinem Mund, der zu einem mobilen
Beatmungsgerät führte, das der Narkosearzt vor sich her schob.
    Ich beschleunigte meine Schritte, um mit in den
Untersuchungsraum zu gehen, doch Lisa versperrte mir den Weg. „Nein. Das ist
keine gute Idee.“
    Dann knallte sie mir die Tür vor der Nase zu. Ich blieb reglos
davor stehen und betrachtete das hellgrün lackierte Holz, bis OA Heimer
herauskam.
    Er nahm mich sachte beim Unterarm und führte mich zurück in
die Ambulanz. Dort angekommen zwang er mich mit leichtem Nachdruck,  mich auf
einen Stuhl in der Küche zu setzen.
    „Trinken Sie erst einmal einen Kaffee, Lena. Ich melde mich,
sobald ich etwas weiß“, meinte er in ruhigem Tonfall. Mit einem letzten,
mitleidsvollen Blick verließ er den Raum.
    Ich saß da und sah aus dem Fenster.
    Die ganze Zeit über fühlte ich mich, wie in einem schlimmen
Albtraum gefangen und hoffte darauf, dass ich endlich daraus aufwachte.
    Dass ich aufwachte, mich umdrehte und Desiderio neben mir
liegen sah.
    Oh, Gott. Er durfte nicht sterben. Nein, das durfte er
einfach nicht!
    Nach einer Weile kehrte Heimer wie versprochen zurück.
    „Das CT ist fertig“, erklärte er fachlich. „Der Schädel ist
unauffällig. Der Unterschenkelbruch war klar, doch dazu kommen noch ein kleiner
Riss am Beckenring, der allerdings stabil steht,
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