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Vorhofflimmern

Vorhofflimmern

Titel: Vorhofflimmern
Autoren: Johanna Danninger
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übertrieben, als er mir von
deinem Temperament erzählt hat.“
    Hä?
    Meine zweite Braue erhob sich zu einem fragenden
Stirnrunzeln.
    Die Blonde streckte mir freundlich ihre Hand entgegen. „Hi,
ich bin Susi.“
    „Bitte, wer?“
    „Susi“, wiederholte sie geduldig. „Desiderios Cousine.“
    „Bist du sicher?“, fragte ich schockiert.
    „Ähm, ja. Ziemlich sicher.“
    Oh. Mein. Gott.
    Falls ich noch Farbe in meinem Gesicht hatte, so verlor ich
sie jetzt gänzlich.
    Das war Cousine Susi? Aus München? Die für ihn wie
eine Schwester war?
    Mein Magen krampfte sich zusammen und ich schmeckte Galle.
    Desiderio lag schwerverletzt in dem Zimmer hinter mir, weil
ich so unglaublich bescheuert war und ihm eine Affäre unterstellt hatte. Mit
seiner Cousine.
    Ich gab ein Ächzen von mir und raufte mir die Haare.
    Susi ließ unterdessen ihre Hand sinken und musterte mich
besorgt. „Was ist los?“
    „Mein Gott, Susi, es tut mir alles so leid!“, jammerte ich
los.
    „Was denn?“, fragte sie verwirrt.
    „Das! Das alles!“, stammelte ich aufgebracht und bemühte mich
sehr, nicht laut herumzuschreien. „Ich bin Schuld, dass Desiderio überhaupt
einen Unfall hatte! Weil ich ein Riesenidiot bin. Ein hysterisches Arschloch.
Eine bescheuerte Kuh!“
    „Na, na, jetzt beruhige dich erst einmal“, beschwichtigte
Susi mich. „Niemand hat Schuld an Desiderios Unfall. Er war unaufmerksam und
ist von der Straße abgekommen.“
    „Ja, er war unaufmerksam, wegen mir! Weil ich gesponnen habe
wie ein Oberrindvieh!“
    Unter Tränen erzählte ich ihr schließlich die ganze
Geschichte.
    Dass ich sie gesehen hatte. Dass ich dachte, er würde mich
betrügen. Dass ich zu feige war, mit ihm darüber zu sprechen. Dass ich der
größte Depp auf Erden war.
    Obwohl wir uns gar nicht kannten, nahm sie mich tröstend in
den Arm. „Das ist dramatisch, aber nicht mehr zu ändern. Außerdem bist du trotz
allem nicht schuld an dem Unfall. Der Meinung ist Desiderio sicherlich auch.“
    Desiderio…
    Mein Blick fiel auf die offen stehende Zimmertür. Susi
bemerkte das und löste sich von mir.
    „Geh zu ihm. Er ist zwar noch müde, aber es gibt sicher
nichts Schöneres für ihn, als dich jetzt zu sehen. Na, los, geh schon!“,
forderte sie mich auf.
    Weil ich mich nicht von der Stelle rührte, schob sie mich
kurzerhand einfach in das Zimmer und schloss leise die Tür hinter sich, damit
ich nicht mehr abhauen konnte.
    Ein bisschen belämmert stand ich da und wischte mir erst
einmal verstohlen die Tränen vom Gesicht.
    Jetzt, wo das ganze Blut abgewaschen war, sah Desiderio nicht
mehr ganz so schrecklich aus, doch immer noch schlimm genug. Professionell
überprüfte ich die Werte auf dem kleinen Monitor, der seine Vitalzeichen
anzeigte. Alles in bester Ordnung.
    Trotzdem hatte seine Hautfarbe mit seiner sonst so frischen
Bräune nichts mehr zu tun. Sie schimmerte eher gräulich und sah fürchterlich
ungesund aus. In beiden Armen steckten Infusionsnadeln. Eine letzte
Blutkonserve tropfte träge in seine Venen. Von seinem restlichen Körper war
nicht viel zu sehen, weil er bis zum Kinn zugedeckt war. Nur die Zehen seines
gebrochenen Beines lugten hinter einem dicken Gips hervor. Sie waren noch ganz
Orange, von dem Desinfektionsmittel der Operation.
    Möglichst geräuschlos schlich ich mich zu seinem Bett und
setzte mich auf den Stuhl, auf dem vorhin noch Susi gesessen hatte.
    Seine Cousine.
    Ich konnte es immer noch nicht fassen, was ich mit meinen
Wahnvorstellungen angerichtet hatte…
    „Hi“, sagte Desiderio leise. Er hatte die Augen geöffnet und
sah mich an.
    Sofort begannen die nervigen Tränen wieder über meine Wangen
zu laufen.
    „Hey“, flüsterte ich erstickt und nahm seine Hand. Sie fühlte
sich kalt an. „Ich… ich weiß gar nicht, wie ich anfangen soll…“
    „Brauchst du nicht“, unterbrach er mich heiser. „Ich habe
alles gehört.“
    „Hast du?“
    „Ja, naja, ich glaube eigentlich, dass die ganze Station
mitgehört hat.“
    „Oh.“ Peinlich berührt wischte ich mir über die Augen.
„Wenigstens weißt du jetzt, was ich für ein dummes Weib bin.“
    „Das bist du nicht. Du bist einfach nur übervorsichtig.“
    „Hysterisch trifft es wohl eher“, meinte ich verbittert.
    „Quatsch.“ Erschöpft schloss er die Augen wieder und schloss
schwach seine Finger um die meinen. „Ich bin froh, dass du da bist.“
    Ich betrachtete sein fahles Gesicht, das trotz allem noch
aussah, wie das eines Engels. Eine heftige Welle
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