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Vorbei: Drei Erzählungen (German Edition)

Vorbei: Drei Erzählungen (German Edition)

Titel: Vorbei: Drei Erzählungen (German Edition)
Autoren: Hans Joachim Schädlich
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Rosetti:
    «Mein lieber Hoppius,
    meine Wünsche sehe ich erfüllt. Die Musiker der Hofkapelle sind vorzügliche Konzertisten. Übrigens schätzen sie mich als Kapellmeister, und sie schätzen meine Musik. Es ist nicht übertrieben, wenn ich glaube, daß sie mich lieben. Auch der Herzog ist mir zugetan. Er kennt Musik und ist großzügig. Ich erhalte weit mehr als in Wallerstein. Dort habe ich Seiner fürstlichen Durchlaucht 16 Jahre hindurch die beste Zeit meines Lebens bei einem jährlichen Gehalt von 402 Gulden gewidmet. Davon bezog ich monatlich nur 18 Gulden, das übrige meist von Halbjahr zu Halbjahr. Meine Bitte, mir die 402 Gulden mit monatlich 33   ½ Gulden auszuzahlen, wurde nicht erhört. Hier bewohne ich gratis ein schönes großes Haus. Ich muß keine Bittbriefe mehr an die Hochfürstliche Durchlaucht verfassen, in denen der unterthänigste Knecht Rosetti um eine Zulage fleht. Statt der Zulage bekam ich 500 Gulden zu 5   % Zinsen geborgt. Lieber Hoppius, ich denke gerne an unseren Aufenthalt in Mainz und an die generöse Aufnahme am dortigen churfürstlichen Hof. Wie geht es mir. In der Musik gut. Allerdings ein Fagottist fehlt mir. Um meine Gesundheit steht es nicht zum besten. Der leidige Husten setzt mir zu, daß ich oft fürchte, ich huste mir das Leben aus dem Leib. Dein Rosetti.»
     
    Christoph Hoppius ließ es sich gesagt sein. Er ersuchte um seine Entlassung aus dem Dienst des Fürsten zu Oettingen-Wallerstein. Er wurde entlassen und machte sich auf den Weg nach Ludwigslust.
    Der Fürst hielt das für einen Anlaß, an den Herzog von Mecklenburg-Schwerin zu schreiben: Es sei ihm empfindlich zu erfahren, daß Rosetti es sich zum Geschäft mache, andere Leute aus seiner Kapelle zu debauchieren, wovon das Entlassungsgesuch seines Fagottisten Hoppius einen Beweis darstelle.
    Herzog Friedrich Franz schrieb an den Fürsten: «Freilich ist es immer unangenehm, gute Subjekte aus seinem Dienste zu verliehren, aber äußerst hart wäre es, wenn man Leute von ihrer Glücksverbesserung abhalten wollte. Aus angeführten Gründen werden E. L. es keineswegs mißbilligen, wenn ich den Kapellmeister Rosetti vielmehr zu protegieren als durch unverdiente Vorwürfe mißmutig zu machen für dienlich finde.»
     
    Der herzogliche Hof ließ bei Rosetti anfragen, ob genügend Zeit bleibe, ein Stück zu komponieren und einzustudieren bis zum 10. Dezember.
    Rosetti fragte: «Warum gerade zum 10. Dezember?»
    Es sei der Geburtstag des Herzogs, der 33.
    «Woran ist gedacht?»
    An ein Singspiel.
    «Ich brauche ein Libretto.»
    Das habe man. «Das Winterfest der Hirten» von dem Pfarrer Julius Tode.
    «Ich lese es.»
     
    Rosetti fand Gefallen an der Idee. «Mein erstes Bühnenstück!»
    In Wallerstein wäre das nicht möglich gewesen. Aber in Ludwigslust gebot er über Sängerinnen und Sänger.
    Die Zeit bis zum 10. Dezember war ausgefüllt mit der Komposition und mit der Einstudierung des Singspiels.
    Die Aufführung war für Rosetti ein Fest.
     
    Durchgefroren und müde traf Hoppius Ende Dezember in Ludwigslust ein. Er nahm vorerst im «Hotel de Weimar» Quartier, da ihm versichert worden war, der Hof werde die Auslage erstatten.
    Hoppius sagte zu Rosetti: «Ich soll dich von Rosina grüßen und von deinen Töchtern.»
    «Wie geht es ihnen.»
    «Gut. Sie sind oft bei Rosinas Eltern im Gasthof. Die Kinder lieben die Großeltern.»
    «Sie fehlen mir. Ich bin allein in dem großen Haus.»
    «Im Winter will Rosina die Reise nach Ludwigslust mit den Kindern nicht machen. Den Kindern mag sie das nicht antun.»
    «Aber sie weiß, daß ich das Haus habe.»
    «Ja.»
    «Und daß es mir nicht an Geld fehlt.»
    «Natürlich.»
     
    «Jesus in Gethsemane?»
    «Ja. Ein Text von Pfarrer Tode für ein Oratorium.»
    «Tode ist Lutheraner, ich bin Katholik. Ich mache ein Oratorium für beide.»
     
    Rosetti las den Eingangs-Chor: «‹Nehmet wahr des Hohenpriesters, den wir bekennen, Christi Jesu. Er hat am Tage seines Fleisches Gebet und Flehen mit starkem Geschrei und Tränen Gott geopfert›.
    Aber meine Musik soll über diesem Text stehen. ‹Meine Seele ist betrübt bis an den Tod›.»
     
    Spätestens im Januar 1790 ist Rosettis Frau vielleicht doch schon in Ludwigslust gewesen. Ist sie im Lauf des Jahres noch einmal nach Wallerstein zurückgekehrt, um dort, im Haus ihrer Eltern, die Tochter Amalia zur Welt zu bringen? Amalia wurde im September geboren.
     
    Drei Monate nach seiner Ankunft in Ludwigslust sagte Hoppius zu
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