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Vorbei: Drei Erzählungen (German Edition)

Vorbei: Drei Erzählungen (German Edition)

Titel: Vorbei: Drei Erzählungen (German Edition)
Autoren: Hans Joachim Schädlich
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ertheilen wir demselben hiermit die verlangte Entlassung …»
    Am Ende doch noch mit dem Beisatz, daß der Fürst überzeugt sei, «Rosetti werde in Ansehung der Kunst allenthalben den entschiedensten Beifall finden.»
     
    Rosettis Frau sagte: «Du mußt erst einmal …»
    «… allein nach Ludwigslust gehen», sagte Rosetti.
    «Erst brauchst du das Haus.»
     
    Im Juli trat Rosetti zum zweiten Mal die beschwerliche Reise nach Ludwigslust an. Diesmal mit größerem Gepäck: seine Kleidung, seine Noten.
     
    Der Hofbeamte, der Rosetti zu dem Haus Am Bassin geführt und ihm den Schlüssel übergeben, hatte gesagt: «Hier hat der selige Herr Westenholtz gewohnt, Ihr Vorgänger als Hofkapellmeister.»
    An seine Frau schrieb Rosetti: «Ein schönes Haus. Groß genug für uns alle. Vom Haus aus kann man das Schloß sehen. Dieses sieht recht streng aus, aber allerlei Friese, Rosetten, Konsolen beleben die Fassade. Wie eine Krone schmücken sandsteinerne Figuren den Dachrand ringsum; es sind an die vierzig. Dem Schloß gegenüber, am südlichen Rand des Schloßplatzes siehst du eine eindrückliche Kaskade, in deren Mitte Flußgötter thronen. Die Kaskade wird vom Bassin gespeist, an dem unser Haus steht. Am östlichen Rand des Schloßplatzes ist die Schloßbrücke; sie führt zur Schloßstraße, welche ein Prachtexemplar ist. Stell dir vor, daß sie eine Fahrspur, einen Reiterweg, eine Promenade und einen Fußweg breit ist! Das gibt es in Wallerstein nicht. Die Schloßstraße ist von Linden gesäumt. Gerade jetzt blühen sie, was meiner Brust sehr wohltut. Wie soll ich dir die Häuser der Schloßstraße beschreiben. Jedes Haus ist genauso breit und hoch wie das gegenüberliegende. Immer vier Häuser haben ein gemeinsames Dach. Nach vier Häusern kommt ein kleiner Platz mit einem einzelnen Haus, das etwas weiter von der Straße entfernt ist. So geht es fort bis zu einem runden Platz, wo man sich in der Stadtmitte befindet. Du mußt die Schloßstraße sehen!
    Der Schloßpark, der sich hinter dem Schloß nach Norden und Westen erstreckt, ist der schönste und größte, den ich je gesehen, ausgenommen der Park von Versailles. Ich spaziere oft im Park, zumeist an einem Kanal entlang. Mir fällt Musik ein. Vom Schloß aus erblickt man, über Kaskade und Bassin hinweg, die Stadtkirche. Sie sieht einem Tempel ähnlich. Einen Turm hat die Kirche nicht, weil man fürchtete, es könnte der Blitz einschlagen. Der Kirchenplatz ist größer als du ihn dir denken kannst. Er ist rechteckig; an jeder Seite stehen kleine Fachwerkhäuser. Hier wohnen niedere Bedienstete des Hofes.»
     
    Bald nach Rosettis Ankunft war die Hofkapelle mit Instrumenten und Noten in den Goldenen Saal des Schlosses beordert worden, den neuen Kapellmeister zu begrüßen.
    Rosetti betrat den Saal.
    «Ich war kaum eingetreten, als die Hofkapelle zu spielen anhob», schrieb Rosetti an seine Frau. «Und denke dir! Sie spielten aus meinem Oboenkonzert in F das Adagio! Ich blieb vor der Kapelle stehen; ich war so berührt, daß ich ein bißchen weinte. Nach dem Adagio klatschte ich der Kapelle, besonders dem Oboisten, Beifall. Die Musiker bedankten sich, indem sie die Coda wiederholten. Einen glücklicheren Beginn konnte es für mich nicht geben. Der Goldene Saal ist eine wunderliche Räumlichkeit. Die größte im Schloß, mit dem Blick zum Park. Zwei Etagen hoch. Mit einer Galerie rundum. Die Musiker können auch auf der Galerie spielen. Kristallüster. Viele hohe Spiegel, daß man glauben kann, der Saal sei doppelt so groß als in Wirklichkeit. Vergoldete Ornamente. Kolossale Säulen an jeder Seite. Die Musik hat hier himmlischen Klang.»
    Rosetti gab dem Konzertmeister Eligio Celestino die Hand und dem Violinisten Friedrich Marpurg, Sohn des Musikforschers Wilhelm Marpurg. Auch Xaver Hammer, dem Violoncell-Virtuosen und Gambisten, der, wie Rosetti wußte, unter Joseph Haydn sieben Jahre in der Esterházyschen Kapelle in Eisenstadt gespielt hatte.
    In nächster Zeit wollte Rosetti jeden Musiker der Kapelle, jeden Sänger und jede Sängerin persönlich kennenlernen.
    Einige kannte er vom Namen her: August Abel, Violinist; Friedrich Braun, Hautboist; Wenzel Sedlazeck, Kontrabassist; Georg Herr, Waldhornist.
    Und er hatte schon erfahren, daß im August der Kontrabaß-Virtuose und Komponist Matthias Sperger in die Hofkapelle eintreten werde; Sperger, dem er bei dessen Besuch in Wallerstein begegnet war.
     
    An den Fagottisten Christoph Hoppius in Wallerstein schrieb
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