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Vorbei: Drei Erzählungen (German Edition)

Vorbei: Drei Erzählungen (German Edition)

Titel: Vorbei: Drei Erzählungen (German Edition)
Autoren: Hans Joachim Schädlich
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mir noch immer nicht gesagt, wohin die Reise gehen soll.»
    «Zu allen Plätzen, die Sie damals mit der ‹Arend› angelaufen haben. Eine Wieder-Entdeckungsreise, wie das Wiedersehen mit einer alten unvergessenen Liebe. Für mich ein Abenteuer mit einem großen Ziel. Ich will am anderen Ende der Welt einen Mann treffen, der einst mein Patient war und, ohne daß er es weiß, zu meinem Freund geworden ist.»
    «Wissen Sie auch, wie lange wir unterwegs sein werden?»
    «Beinahe ein Jahr», sagte Dr.   Clark.
    «Wenn ich meinem Herzen folge, sage ich: Ja! Aber mein Verstand fragt mich: Was wird aus meinem Lebkuchengeschäft? Wie erkläre ich es meiner Frau?»
    Dr.   Clark sagte leichthin: «Folgen Sie Ihrem Herzen. Die Gelegenheit kommt nicht wieder. Ihre Frau kann Sie begleiten.»
    «Wo denken Sie hin. Die Strapazen der Schiffsreise …»
    «Vielleicht will Ihre Frau das Geschäft solange halten.»
    «Ich rede mit ihr. Und ich berate mich mit Adam Krüger, einem getreuen Nürnberger Freund.»
    Dr.   Clark sagte: «Ich mache mich auf den Weg nach Amsterdam. Ich will mit Kapitän Koster sprechen. Wenn ich ihm sagen kann, daß Sie, sein alter Soldat, an der Reise teilnehmen, dann ist das bestimmt von Nutzen. Sobald er zugesagt hat, lasse ich Ihnen Post zugehen.»
     
    Für Nürnberg hatte Dr.   Clark kein Auge. Es zog ihn nach Amsterdam.
     
    In der Hafenmeisterei fragte er nach Kapitän Kosters Adresse. Der hatte sich ein Haus unweit des Hafens zugelegt. Er begrüßte Dr.   Clark freimütig: «Dr.   Clark, sagen Sie? Ich hatte einmal einen Schiffsarzt namens Clark. Sind Sie verwandt?»
    «Davon weiß ich nichts.»
    «Was führt Sie zu mir?»
    «Ich möchte mit Ihnen als Kapitän die Fahrt der ‹Arend› von damals unternehmen.»
    «Wer soll das bezahlen. Eine Handelskompanie?»
    «Eine Königliche Gesellschaft. Übrigens, Ihr damaliger Milizkommandeur Behrens würde sich der Reisegesellschaft anschließen, hat er mir in Nürnberg versichert.»
    «Behrens! Er hat sich bewährt. Wer ist Ihre Reisegesellschaft.»
    «Ich kann sie ohne Ihre Zusage nicht zusammenstellen.»
    Kapitän Koster sagte: «Frei heraus. Ich habe Lust auf diese Fahrt. Ich chartere die ‹Arend› und lasse sie ausrüsten.»
    «Kann die Reise mit nur einem Schiff gutgehen? Behrens hat das zu bedenken gegeben.»
    «Die ‹Arend› genügt.»
    Dr.   Clark war seit seiner Abreise aus London zum ersten Mal wirklich glücklich. «Kapitän Koster», sagte er, «Ihre Zusage beflügelt mich.»
    In Amsterdam wäre Dr.   Clark gerne noch ein paar Tage geblieben. Aber er versagte es sich. Er mußte die wichtigste Person aufsuchen, die an der großen Fahrt teilnehmen sollte.
     
    Am nächsten Tag machte er sich auf die Reise nach Schottland. Daß es bei seiner Ankunft in Edinburgh regnen würde, hatte er erwartet. Er war sich seiner sicher, daß sie noch in Edinburgh wohnte. Er ging in die Heriot Row und klopfte an die Tür des Hauses, in dem Louis mit seiner Mutter zuletzt gewohnt hatte. Ein älterer Mann öffnete die Tür, und er wußte ihre Adresse.
    Dr.   Clark hatte nicht weit zu gehen. Als die Tür aufging, sagte er: «Guten Tag, Frau Cummy! Mein Name ist …»
    «Wer gibt Ihnen das Recht, mich ‹Cummy› zu nennen! Dieses Recht besitzen nur Louis, seine Mutter und sein seliger Vater. Wer sind Sie überhaupt.»
    «Dr.   Clark. Ich habe mir erlaubt, Sie bei diesem Namen zu nennen, weil ich Sie sogleich zu einer Reise einladen wollte …»
    «Wohin?»
    «… um Louis wiederzusehen.»
    «Ach, treten Sie doch ein.»
    Sie führte Dr.   Clark in ihr kleines Wohnzimmer. «Ich soll mein Jungchen wiedersehen?»
     
    «Ja. Verzeihen Sie, daß ich …»
    «Schon gut. Ich nehme die Einladung mit der größten Freude an. Mein Laddie! Er ist jetzt 43 Jahre alt.»
     
    Dr.   Clark, wieder in London, empfing Hammerton. Ehe Hammerton zu Wort kam, sagte Dr.   Clark: «Die Reise ist gesichert. Kapitän Koster rüstet die ‹Arend› aus.»
    «Ich habe mich entschlossen mitzukommen.»
    «Das freut mich, für Sie und für mich.»
     
    Gerne hätte Dr.   Clark Herrn Anwalt Utterson dabeigehabt. Der Anwalt war ihm seit ’86 bekannt. Aber Dr.   Clark wußte, daß Utterson unzugänglich war und düster wirkte. Er mußte auch die enge Freundschaft bedenken, die Utterson mit Herrn Enfield verband. Enfield war im Unterschied zu Utterson ein Lebemann. Die beiden Herren gingen jeden Sonntag miteinander spazieren; es hieß, daß sie meist schweigend
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