Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vorbei: Drei Erzählungen (German Edition)

Vorbei: Drei Erzählungen (German Edition)

Titel: Vorbei: Drei Erzählungen (German Edition)
Autoren: Hans Joachim Schädlich
Vom Netzwerk:
nicht, wenn ich die Gesichter dieser Matrosen sehe, lauter Taugenichtse und Halsabschneider …»
    «Aber ich bitte Sie …»
    «Ich soll mich in die Hände dieses Gesindels geben? Lieber …»
    «Sie kennen diese Leute doch gar nicht!»
    «Sehr richtig! Und was sollen die vielen Kanonen? Will uns der Herr Kapitän in eine Seeschlacht verwickeln? Ich danke.»
    «Sie wollen doch Louis wiedersehen.»
    «Ja. Ich will meinen Smout an mein Herz drücken. Dafür muß ich auf einem brüchigen Kahn inmitten von Trunkenbolden eine waghalsige Seereise unternehmen, und niemand weiß, ob ich ankomme. Angenommen, wir werden von Piraten aufgebracht, und ich die einzige Frau an Bord …»
    «Gegen Piraten haben wir die Kanonen. Und 111 Mann Besatzung. Das sind nicht nur Matrosen, das sind in der Mehrzahl Soldaten.»
    «Das kann ja heiter werden.»
    «Erlauben Sie, daß ich Sie zu Ihrer Kammer bringe?»
    «Ich erlaube Ihnen gar nichts. Bringen Sie mich gefälligst zu meiner Kammer. Und einer dieser Galgenvögel soll mir meine Koffer tragen.»
     
    Bob und Baxter hatten sich für die Reise nach Amsterdam zusammengetan und kamen gemeinsam an Bord. Dr.   Clark lief ihnen über den Weg. «Ich freue mich, daß Sie …»
    Baxter schlug ihm auf die Schulter und sagte: «Hallo, alter Junge. Die Schaluppe gefällt mir. Aber verraten Sie uns eines: Welchen Scotch hat der Kaptän gebunkert? Die Reise ist lang. Unser eigener Vorrat wird nicht reichen.»
    «Ich erkundige mich. Jetzt bringe ich Sie erst einmal zu Ihren Kammern.»
    «Die müssen nebeneinanderliegen», sagte Bob.
     
    Als Dr.   Clark zurückkam, trat ihm Frau Cunningham in den Weg. Sie sagte: «Ich habe sehr wohl gehört, wer da gelärmt hat. Ich kenne die beiden Herren. Diese Trunkenbolde wollen Sie zu Louis bringen? Das ist gar nicht gut. Diese beiden haben Louis schon als Studenten zu Tollerei und Ausschweifung angestiftet.»
    «Verzeihen Sie, Frau Cunningham, der eine ist Richter, der andere Professor.»
    «Richter hin, Professor her. Tunichtgut bleibt Tunichtgut.»
     
    Als letzter Passagier kam der junge Hammerton an Bord. Dr.   Clark sagte: «Sie haben wenig Gepäck für die lange Reise.»
    «Was brauche ich schon. Das wichtigste sind meine Schreibhefte. Die Wäsche und Kleider kann ich hier waschen lassen.»
     
    Dr.   Clark nutzte die Zeit bis zur Abreise, um in Amsterdam ein Cembalo zu kaufen und auf das Schiff bringen zu lassen.
    Baxter beobachtete, wie das Cembalo an Bord gehievt wurde. Er sagte zu Dr.   Clark: «Wollen Sie uns zum Tanz aufspielen? Zum Tanzen bedürfte es junger Damen. Was wir antreffen, ist die alte Cunningham.»
    Dr.   Clark sagte: «Ich möchte die lange Zeit zwischen damals und heute mit Musik überbrücken.»
    «Damals?»
    «Als die ‹Arend› unter Kapitän Koster jene Fahrt unternahm, die wir jetzt wiederholen.»
    «Deshalb der alte Kahn?»
    «Deshalb.»
    «Ihrem Spiel würde ich gelegentlich gerne zuhören.»
    Behrens und Hammerton traten hinzu. Behrens sagte: «Ich habe die Vorräte inspiziert. Kapitän Koster hat diesmal gründlicher gegen Scharbock vorgesorgt. Eine ganze Hahnenfuß-Pflanzung hat er angelegt.»
    «Scharbock?» fragte Hammerton.
    Dr.   Clark sagte: «Skorbut.»
    Hammerton, gegen Behrens gewandt, sagte: «Aber gegen Skorbut …»
    Dr.   Clark schnitt ihm das Wort ab: «Lassen Sie es gutsein.»
     
    Die «Arend» lichtete die Anker. Es war 6 Uhr morgens. Kapitän Koster hatte über die Toppen flaggen lassen. Er ließ Segel setzen, und die «Arend» glitt langsam aus dem Hafen. Trotz der frühen Stunde standen die Passagiere an der Reling.
    Dr.   Clark hielt Frau Cunningham für gutgelaunt. Ihr schienen der klare Himmel und die frische Luft zu gefallen. Sie bemerkte Dr.   Clarks Blick und sagte: «Ich weiß nicht, wie ich die stickige Kammer ertragen soll. Die ersten drei Nächte waren eine Qual. Wie wird das erst in anderen Breiten werden.»
    «Ich lasse Ihnen einen Liegestuhl an Deck bringen.»
    «Soll ich im Freien übernachten?»
    Bob stand einige Meter abseits, hielt in der Armbeuge einen Skizzenblock und zeichnete die Amsterdamer Silhouette.
    Der junge Hammerton hörte Behrens zu. Behrens trug einen Dreispitz. Er hatte ein Seidenhemd mit Stehbündchen, einen silberbetreßten Schoßrock und Kniehosen über weißen Strümpfen an. Dazu schwarze Schnallenschuhe. Eingedenk der Ermahnung oder Warnung Dr.   Clarks zeigte Hammerton seine Verwunderung nicht.
    Behrens überragte Hammerton um Kopfeslänge. «Auf der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher