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Vorbei: Drei Erzählungen (German Edition)

Vorbei: Drei Erzählungen (German Edition)

Titel: Vorbei: Drei Erzählungen (German Edition)
Autoren: Hans Joachim Schädlich
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vorigen Reise war die ‹Arend› unser Admirals-Schiff», sagte er. «Admiral Roggeveen hatte dem Schiff den Namen seines Vaters gegeben, eines Mathematikers, Astronomen und Seefahrtskundlers, von dem ein stattlicher Atlas stammt. Admiral Roggeveen war von Hause aus Jurist. Er hielt sich lange in Ostindien auf und wurde in Batavia Mitglied des Obersten Gerichts. Er kehrte nach Holland zurück und bereitete seine Expedition vor.»
    «Ich habe noch nie etwas von Admiral Roggeveen gehört», sagte Hammerton.
     
    Die Zuidersee war ruhig, es schien die Sonne. Dr.   Clark ließ sechs Liegestühle an Deck bringen. Bob und Baxter machten es sich als erste bequem. Frau Cunningham kam nicht aus ihrer Kammer. Behrens stand mit Kapitän Koster auf der Brücke. Hammerton setzte sich neben Dr.   Clark.
    Hammerton sagte: «Es ist unleugbar schön, über die Zuidersee zu segeln. Aber warum fährt Koster nicht auf dem Nordsee-Kanal. Der Weg wäre kürzer: von Amsterdam bis Ijmuiden 27 Kilometer. Statt dessen dieser Umweg.»
    «Koster weiß nichts vom Nordsee-Kanal. Den gab es seinerzeit noch nicht.»
    «Na schön. Ich lasse mich treiben.»
     
    Am späten Vormittag ging Dr.   Clark in seine Kammer und setzte sich ans Cembalo. Die Töne gingen durch das ganze Schiff und auf das Meer hinaus. Mancher Matrose hob den Kopf, um zu lauschen, ob die Töne vom Wind aus der Höhe herangetragen würden. Behrens hätte darauf schwören mögen, die Töne schon einmal gehört zu haben: damals.
     
    Während der Mittagsmahlzeit erhob sich Kapitän Koster und sagte, er heiße die Dame und die Herren herzlich willkommen. Er freue sich darüber, daß sie sich entschlossen hätten, die große Reise, die beschwerlich, manchmal sogar gefährlich sei, mit ihm als Kapitän zu unternehmen. Er bezeuge in seiner Person, daß die Fahrt gesund zu bestehen sei. Er wolle sich des gottseligen Admirals Jacob Roggeveen als würdig erweisen und jetzt in dessen, wenn er das als Seemann sagen dürfe, Fußstapfen treten.
    Mit einem Blick auf Behrens fuhr er fort: Das eben sei die Natur solcher Seefahrer: die Welt zu entdecken und zu erobern.
    Hammerton blickte fragend zu Dr.   Clark, der ihm gegenübersaß. Aber der wich Hammertons Blick aus.
    Koster sagte, übrigens brauche sich niemand vor Piraten oder Eingeborenen zu fürchten. Schließlich sei die «Arend» bestens gerüstet.
    Wieder sah Hammerton zu Dr.   Clark hinüber, der seinen Blick jetzt senkte.
    Koster hob sein Glas und sagte: «Ich wünsche Ihnen Gesundheit und erbitte für Sie Gottes Segen.»
    Alle hoben ihr Glas. Koster setzte sich und aß weiter.
    Baxter sagte zu Dr.   Clark: «Ich habe mit großem Vergnügen Ihrem Spiel zugehört. Es ist ungewöhnlich.»
    «Ach, wissen Sie. Ich wollte Musiker werden. Aber mein Vater hielt davon nichts. Er befahl mir, Medizin zu studieren. ‹Ergreife einen Beruf, von dem du leben kannst›, sagte er, ‹Musik kannst du nebenbei machen.› So kam es.»
    «Wenn ich mich nicht täusche, haben Sie etwas von George Frideric Handel gespielt.»
    «Sie kennen sich aus! Ich habe versucht, die Sarabande aus der Cembalo-Suite Nummer 7 zu spielen.»
    «Sagen Sie nicht ‹versucht›.»
    «Dochdoch. Die anderen Sätze beherrsche ich gar nicht.»
     
    Endlich, drei Tage nach der Ausfahrt aus dem Hafen von Texel, hatte die «Arend» den Kanal passiert.
    Behrens sagte zu Hammerton: «Damals war der Wind uns auch ungünstig. Wir mußten drei Tage lang zwischen England und Frankreich zubringen und bald nach der einen, bald nach der anderen Küste wechseln. Sie haben es gesehen: Der Kanal ist ein gefährliches Fahrwasser. Man muß auf der Hut sein, um nicht Schiff und Gut, vielleicht sogar das Leben zu verlieren.»
    «Aber Kapitän Koster …»
    «… ist ein erprobter Seemann. Deshalb hat Admiral Roggeveen ihn zum Kapitän der ‹Arend› gewählt.»
    «Frau Cunningham hat gesagt: ‹Ich habe den Kanal schon schneller durchquert›.»
    «Ich frage mich, ob Frau Cunningham etwas von den Windverhältnissen versteht».
    «Ich glaube, sie meinte ein anderes Schiff …»
    «Wäre es auch diesmal nach Admiral Roggeveen gegangen, dann hätte Koster keine Frau an Bord genommen.»
    «Auch keine …»
    «Überhaupt keine. Aber Dr.   Clark hat es gewollt, daß Frau Cunningham mitfährt, und Koster ist ihm gefolgt.»
    Kapitän Koster bat Dr.   Clark zu sich und sagte, Dr.   Clark möge Charles Baxter und Bob gefälligst ermahnen. Dr.   Clark erwiderte: «Aber Herr Kapitän, ich
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