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Vorbei: Drei Erzählungen (German Edition)

Vorbei: Drei Erzählungen (German Edition)

Titel: Vorbei: Drei Erzählungen (German Edition)
Autoren: Hans Joachim Schädlich
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bitte Sie. Wenn Sie das für nötig erachten, also, ich bin auch nur ein Passagier. Sie sind der Kapitän.»
    «Also gut», sagte Koster.
     
    Er redete mit Charles Baxter und Bob: die Herren mögen tunlichst vermeiden, was ihm von mehreren Seiten zu Ohren gekommen. Schließlich stehe auf einem Schiff die Disziplin der Mannschaft an oberster Stelle.
    «Nicht die Sicherheit?» fragte Bob.
    Kapitän Koster sagte unbeeindruckt, es sei an ihm, streng über die Einhaltung der Disziplin zu wachen. Im übrigen seien die Matrosen keinen Whisky gewöhnt. Sie tränken normalerweise Bier, glaube er.
    Baxter sagte: «Mein lieber Koster! Sie unterschätzen Ihre Mannen.»
     
    Hammerton blickte über das Schiff, konnte aber nirgends eine Antenne entdecken. Er fragte einen Matrosen: «Wo ist die Funkkabine?»
    Der Matrose sah Hammerton groß an: «Die was? Fragen Sie einen Offizier.»
    Der Offizier, ein Holländer, sagte zu Hammerton: «Was suchen Sie?»
    «Die Funkstation.»
    Der Offizier versuchte zu verstehen, was Hammerton gemeint haben könnte. «Sie meinen Leuchtzeichen?»
    «Neinnein.»
    Hammerton ging zu Dr.   Clark. «Es gibt keinen Telegraphen an Bord. Was ist, wenn wir Hilfe brauchen? Wie soll ich meine Briefe an die Redaktion schicken? Etwa mit Rauchzeichen?»
    «Haben Sie noch nicht begriffen? Ich habe Ihnen in London gesagt, daß Sie Ihre Briefe in jedem Hafen auf die Post geben können.»
     
    Kapitän Koster stellte den Kurs auf Südwest. In der Spanischen See kündigte sich Sturm an. Alles, was nicht niet- und nagelfest war, mußte von Deck geräumt werden, zuallererst die Liegestühle. Kapitän Koster befahl den Passagieren, in ihren Kammern zu bleiben, bewegliche Gegenstände zu verstauen oder festzubinden und nicht zu stehen oder zu gehen. Dr.   Clark band als erstes sein Cembalo fest.
    Der Wind kam von West und der Sturm wurde entsetzlich. Es brach die Kreuzstange, die sich am hinteren Mastbaum befindet. Und es brach die Rahe am Großen Mastsegel; davon wurden viele Matrosen verletzt. Dr.   Clark half bei der Versorgung der Verletzten. Hammerton fragte ihn, ob es keinen Schiffsarzt gebe.
    «Nein.»
    «Mehr als 100 Mann Besatzung, dazu sechs Passagiere und keinen Schiffsarzt. Das ist unglaublich.»
    Behrens war während des Sturms viele Stunden bei Kapitän Koster auf der Brücke gewesen.
    Charles Baxter und Bob hatten auf ein vorgeblich bewährtes Mittel gesetzt – den Whisky. Sie kamen nach dem Sturm aus Baxters Kammer und schwankten.
    Frau Cunningham hatte den Sturm in der Koje zugebracht. Sie sagte, Sturm mache ihr nichts aus. Sie empfinde das Auf und Ab als angenehm.
     
    Erst nach zwei Tagen hatte sich die See beruhigt, und die zerbrochenen Hölzer konnten repariert werden.
    Auch die regulären Mahlzeiten wurden wieder eingenommen: Kaffee um sieben Uhr morgens, Mittagessen um zwölf Uhr, Tee um fünf, Abendessen um acht.
    Charles Baxter und Bob hatten schon am ersten Tag beklagt, daß Kapitän Koster das Rauchen nur in der Offiziersmesse zuließ. Sie rauchten nach jeder Mahlzeit Zigarillos, und jedesmal rümpfte Frau Cunningham die Nase. Bob sagte: «Sie sollten es gewöhnt sein. Wenn ich daran denke, wie stark Louis raucht.»
    Frau Cunningham antwortete: «Das ist etwas anderes.»
     
    Beim Abendessen sagte Frau Cunningham: «Die schottische Küche hat mich nicht verwöhnt, aber ich bin es leid, die Künste des Schiffskochs länger zu goutieren. Gibt es an Bord nichts anderes als Sauerkraut, gepökeltes Fleisch, Salzheringe, Stockfisch und Dörrobst?»
    Charles Baxter sprang ihr bei: «Das Bier und der Wein sind schauerlich.»
    Frau Cunningham sagte: «Ich trinke weder Wein noch Bier. Ich trinke Wasser. Aber wann wurde es geschöpft? Und wo? Ich muß bei jedem Schluck den Atem anhalten, damit ich es nicht rieche.»
    Und zu Bob gewandt: «Was die Raucherei angeht – das wissen Sie doch, daß Louis immer gekränkelt hat. Nicht nur als Kind. Auch als Erwachsener; er mußte manchmal wochenlang im ‹Bettdeckenland› leben. Während Sie sich ausgetobt haben.»
    «Übertreiben Sie nicht.»
    «Louis hat Medikamente eingenommen, Sie haben Whisky geschluckt. Louis mußte bei offenem Fenster nach frischer Luft schnappen, Sie haben in verräucherten Pubs Ihre Zigarren eingeatmet …»
    «Den Rauch …»
    «Louis wollte wie Sie leben, aber das konnte er auf dem Krankenlager nicht. Ist es da verwunderlich, daß er alles nachgeholt hat, wenn er wieder aufstehen konnte? Er hat dann um so stärker geraucht, und
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