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Vorbei: Drei Erzählungen (German Edition)

Vorbei: Drei Erzählungen (German Edition)

Titel: Vorbei: Drei Erzählungen (German Edition)
Autoren: Hans Joachim Schädlich
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quälende Husten hatte einen anderen Grund. Der Postkutscher riet Rosetti zu dem Gasthaus «Hotel de Weimar» in der Schloßstraße. Es sei die erste Adresse am Platze, sagte er. Natürlich teuer.
    Rosetti hatte im Kopf: Meine Sinfonien werden in Paris und London gespielt, ich bin Hofkapellmeister in Wallerstein, und ich kann mir kein gutes Hotel in Mecklenburg leisten. Ich leiste es mir!
     
    Vom «Hotel de Weimar» bis zum herzoglichen Schloß nur wenige Minuten.
    Der Herzog Friedrich Franz   I. von Mecklenburg-Schwerin wußte, wer Rosetti war. Er wollte Rosetti haben, als Hofkapellmeister und Compositeur.
    In den Verhandlungen gab Rosetti an, im Dienste des Fürsten von Oettingen-Wallerstein nebst 1000 Gulden noch Naturalien, nämlich Wein, Bier, Getreide, Fourage für zwei Pferde, Holz sowie freies Logis und kostenlos Doktor nebst Apotheker bekommen zu haben, welches in summa auf beiläufig 1300 Gulden zu schätzen sei.
    Ob der Herzog diese Summe glaubte oder nicht – er wollte Rosetti. Es gefiel ihm, die Summe zu übertreffen.
    Rosetti wollte, ehe er nach Wallerstein zurückkehren mußte, etwas in der Hand haben.
    Der Hof überreichte ihm einen Kontraktentwurf, den der Herzog mit seinen Initialen unterzeichnet hatte.
    «Übrigens werden Wir es gerne sehen, wenn er spätestens den Monat Juli dieses Jahres wiederum hier eintreffen kann», hatte der Herzog in den Kontraktentwurf schreiben lassen.
    Rosetti wurde vom 24. Juni an eine jährliche Gage von 1000 Reichsthalern zugesichert, dazu 100 Reichsthaler jährlich für die musikalische Unterrichtung des ältesten Prinzen. Das war viermal mehr als in Wallerstein, nicht gerechnet das Haus, die Naturalien.
    Ab 29. September sollte er ein Viertel seiner Jahresgage erheben können.
    Außerdem erhalte er jährlich vom 24. Juni an 12 Faden Ellernholz und 12   000 Stück Torf.
    Es werde für ein anständiges Logis mit Garten gesorgt werden.
    Seine Frau erhalte nach seinem dereinstigen Ableben das Reisegeld zur Rückkehr in ihr Vaterland.
    Er habe die Erlaubnis, in Dienstangelegenheiten schriftlich Vortrag zu machen, erforderlichenfalls auch mündlich.
    Er erhalte völliges Pouvoir über das ganze Orchester, Sänger und Sängerinnen.
    Er dirigiere alle Konzerte, sowohl im Zimmer wie auch in der Kirche.
    Er solle alle ihm aufgegebenen Kirchen- und andere Musiken unentgeltlich componieren.
    «Wenn Wir mit ihm zufrieden sind, wird er lebenslänglich angestellt.»
     
    Die Rückreise nach Wallerstein fiel Rosetti leichter, obwohl er unterwegs wieder an Hustenanfällen litt.
     
    Rosettis Frau sagte: «Ach bin ich froh, daß du zurück bist.» Rosetti umarmte sie. Er umarmte die ältere Tochter, Rosina Theresia, und die jüngere, Antonia Theresia.
    «Wir werden in Ludwigslust ein Haus haben. Und einen Garten. Endlich werde ich genug verdienen.»
    «Du mußt beim Fürsten um deine Entlassung bitten», sagte Rosettis Frau, «davor fürchte ich mich. Du hast Schulden. Der Fürst kann die Begleichung fordern, ehe er dich gehen läßt.»
    «Ich fürchte mich nicht», sagte Rosetti. «Wie anders soll ich Schulden begleichen können als durch den Fortgang nach Ludwigslust, wo ich besser entlohnt werde. Aber es berührt mich doch, daß ich Wallerstein nach 16 Jahren Arbeit verlasse. Wenn ich denke, was alles ich in Wallerstein getan und erlebt. Alle meine Musik ist in Wallerstein geschrieben. Es kommt mir wie ein ganzes Leben vor.»
     
    Schon bald bat Rosetti den Fürsten Kraft Ernst zu Oettingen-Wallerstein um Entlassung, nicht ohne das Bemerken, daß er an den Hof des Herzogs von Mecklenburg-Schwerin zu gehen vorhabe.
     
    Der Fürst mochte nicht erkannt haben wollen, daß er Rosetti besser hätte stellen sollen. Er wußte, wen er an Rosetti hatte. Rosettis Weggang betrübte und enttäuschte ihn. Und er war wütend. Hatte er Rosetti nicht für ein halbes Jahr nach Paris reisen lassen? Und zu Konzerten nach Darmstadt, Ansbach, Speyer, Frankfurt, Mainz? Konnte Rosetti nicht Erlöse aus den Konzertreisen erzielen? Hatte er Rosetti nicht nach dem Fortgang Joseph Reichas zum Kapellmeister gemacht?
    Seinem Verdruß machte der Fürst sogar im Entlassungsdekret vom 9. Juli Luft: «Demnach der hiesige Kapellmeister Anton Rosetti uns gefälligst hinterbracht, daß er in Herzogl. Mecklenburgische Dienste getretten, und daher vermüßiget sey, sich aus unsern Diensten abzufordern, und um sein Entlassungs Decret geziemend einzukommen, wir auch diesem Ansuchen entstehen mögen, als
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