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Vor dem Urknall

Vor dem Urknall

Titel: Vor dem Urknall
Autoren: Brian Clegg
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Universums. Und wenn dies die Sonne war – warum flog dann nicht alles von der Erde weg in Richtung Sonne?
    Diese durchaus einleuchtende Überlegung bestärkte sie in dem Glauben, die Sterne befänden sich nach wie vor an der ihnen ursprünglich zugedachten Position, seien also am Rande des bekannten Sonnensystems beheimatet. Dies war jedoch mitnichten die einzige Anschauung, die die Antike hervorbrachte. Betrachten wir die antike Kosmologie, müssen wir uns stets ins Gedächtnis rufen, dass man sich zur damaligen Zeit die Wissenschaft (genauer gesagt die Philosophie) in gänzlich anderer Weise erschloss, die Herangehensweise eine völlig andere war. Theorien wurden nicht etwa durch Experimente oder durch Beobachtungen in der Natur verifiziert, sondern durch kontroverse Diskussion.
    Zwei oder mehr Philosophen formulierten alternative Standpunkte über (sagen wir) die Eigenschaften von Materie oder die Größe des Universums. Ihre Argumente wurden erörtert und auf den Prüfstand gestellt. Schließlich bekam der Standpunkt den Zuschlag als allgemein verbindlich, dessen Argumente am plausibelsten erschienen. Mutet dies als skurrile Methode zur Gewinnung wissenschaftlicher Fakten an, so gilt es zu bedenken, dass wir uns bis heute ebendieses Prozederes bedienen, um in Gerichtsverfahren die «Wahrheit» zu ermitteln. Die Überzeugungskraft der Argumente war seinerzeit so groß, dass Aristoteles’ These, schwerere Gewichte fielen schneller zu Boden als leichtere, fast 2000  Jahre lang – bis Galilei auf den Plan trat – als gegeben hingenommen wurde und niemand auf die Idee kam, sie einer Prüfung zu unterziehen.
    In der Antike glaubten manche Philosophen, das Universum sei unendlich groß. Ihre Argumentation führt uns alle erdenklichen Nachteile vor Augen, die die Philosophie mit sich bringt, wenn wir den Versuch unternehmen, aus einer philosophisch geprägten Denkweise wissenschaftliche Fakten abzuleiten. Das Universum, so führten sie ins Feld, umfasse per definitionem alles. Dies impliziere schließlich der Name. Wenn das Universum nun nicht unendlich groß ist, hat es Grenzen. Und diese müssen zwangsläufig den Schnittpunkt zwischen dem Universum und allem anderen (was immer dies auch sein mag) bilden. Existiert jedoch ein «Alles andere», umfasst das Universum nicht alles. Dies stellt einen Widerspruch in sich dar, weshalb das Universum keine Grenzen haben kann. Und dies wiederum kann nur bedeuten, dass es unendlich groß ist. (Wie ich später noch zeigen werde, ist es in der Praxis durchaus möglich, dass etwas endlich ist und dennoch keine Grenzen hat; allerdings sollten wir uns durch diese Grenzen nicht irritieren lassen.)
    Diese Diskussion wurde jahrelang erbittert geführt, und es ist interessant, dass es – im Gegensatz zu den auf Mythen beruhenden Kosmologien, die wir in den vorangegangenen Kapiteln kennengelernt haben – durchaus nicht die Regel war, theologische Aspekte in die Diskussion einzubringen. Selbst ein zutiefst überzeugter Christ wie der Franziskanermönch Roger Bacon, der sich um 1260 anschickte, eine große Enzyklopädie der Wissenschaft zu verfassen (diese Arbeit jedoch nie vollendete), gehorchte der Logik, anstatt theologische Anschauungen heranzuziehen, um zu beurteilen, ob das Universum unendlich groß ist.

Ein außergewöhnlicher Mönch
    Für einen Mann seiner Zeit war Roger Bacon weit gereist. Geboren im frühen 13 . Jahrhundert in Ilchester in der englischen Grafschaft Somerset, zog es ihn schon bald nach Paris in die Fremde, wo er an der Universität zunächst studierte und später lehrte. Von dort ging er zurück nach England, genauer gesagt nach Oxford, wo er sich der Naturphilosophie widmete und dem Orden der Franziskaner-Minoriten beitrat. Franziskaner zu werden sollte für Bacon allerdings ein ernsthaftes Problem mit sich bringen: Er war entschlossen, über Wissenschaft zu schreiben, den Ordensbrüdern war es jedoch untersagt, Bücher zu schreiben.
    Dieses Problem wollte Bacon umgehen, indem er sich die Unterstützung eines wichtigen Mannes sicherte, des Kardinals Guy de Foulques. Doch selbst de Foulques verfügte nicht über genügend Macht, um Bacon die Erlaubnis zum Schreiben zu erteilen. Bacon hatte sich schon fast damit abgefunden, seine Ambitionen ad acta legen zu können, als es Neuigkeiten aus Rom gab. Der Papst war gestorben, und sein Nachfolger – Clemens  IV . – bestieg den Thron von St. Peter. Der bürgerliche Name dieses neuen Papstes war Guy de
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