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Vor dem Urknall

Vor dem Urknall

Titel: Vor dem Urknall
Autoren: Brian Clegg
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bedeutete dies, wir hätten an einer Stelle soeben ein Vakuum erzeugt, an der sich unmittelbar zuvor noch das Universum befand.
    Folglich, so argumentiert Bacon, besteht immer die Möglichkeit, dass das Universum durch Rotation um die eigene Achse ein Vakuum erzeugt, ein störendes Nichts – es sei denn, das Universum ist eine Kugel. Obwohl ein fest stehendes Universum, eine Linse oder ein Gebilde mit der Form eines Käses durch Rotation um die Achse mit dem kurzen Durchmesser keineswegs ein Vakuum erzeugen würde, war dies mit Bacons eigentümlicher mittelalterlicher Logik nicht vereinbar. Er glaubte, die Natur «ließe ein Vakuum oder auch nur die Möglichkeit, ein solches zu erzeugen, nicht zu». Ein Vakuum war aus seiner Sicht ein derartiges Ding der Unmöglichkeit (wer sagte eigentlich, dass das Universum nicht ein wenig um die falsche Achse rotieren könnte?), dass das Universum kugelförmig sein musste – für Bacon die einzige Form, die eine Rotation in jede Richtung um das Zentrum eines Objekts zuließ, ohne ein Vakuum entstehen zu lassen. Bacon war – vielleicht zum Glück – nicht gewahr, dass jedwede Form eines Objekts ein Vakuum erzeugte, wenn dieses sich nur seitwärts bewegte. Die einzige Möglichkeit, dies auszuschließen, läge darin, dass das Universum überhaupt keine Form aufwiese.

Bacons begrenzte Sichtweise
    Nachdem das Universum zu Bacons Zufriedenheit allgemein als kugelförmig anerkannt war, ging er der Frage nach, ob es mehr als ein Universum geben könnte und ob das Universum unendlich groß sei. Bacon verwarf die Möglichkeit, dass multiple Universen existierten, mit dem gleichen Argument, das er zuvor ins Feld geführt hatte, um die Existenz eines Universums auszuschließen, das nicht kugelförmig beschaffen ist. Zwei Universen zusammen bilden ein Kugelpaar und weisen somit eine Gestalt auf, die nicht kugelförmig ist. Ein weiteres Mal führte Bacon ins Feld, dass eine etwaige Rotation ein unzulässiges Vakuum entstehen ließe. (Dabei lässt er die Möglichkeit außer Acht, dass das eine Universum das andere vollkommen einschließt, allerdings stellte dies wohl nur ein einziges, größeres Universum dar.)
    Was die Größe des Universums betrifft, glaubte Bacon, dass es nicht unendlich groß sein könne. Er bemühte die Geometrie, um seinen Standpunkt zu untermauern, und stellte sich vor, mehrere Linien vom Zentrum des Universums bis zu dessen Rand zu ziehen.

    Zunächst zeichnet er zwei vom Mittelpunkt des Universums ausgehende Linien, die ein V bilden und sich bis zum Rand des gewaltigen Himmelsgewölbes erstrecken. Da das Universum kugelförmig ist, weisen beide Linien die gleiche Länge auf. Anschließend fügt er eine dritte Linie hinzu (in unserer Skizze fett gedruckt), die an einem nach oben versetzten Punkt auf dem linken Schenkel des V ihren Ursprung hat und parallel zu dessen rechtem Schenkel verläuft. Diese Linie erstreckt sich ebenfalls bis zum Rand des Universums. Wenn das Universum nun grenzenlos ist, müssten laut Bacon auch die beiden parallelen Linien gleich lang sein (vermutlich weil der Schnittpunkt zweier parallel verlaufender Linien in der Unendlichkeit liegt – die strikt mathematische Art und Weise, um auszudrücken, dass sie sich nie schneiden). Die beiden Schenkel des V sind in der Länge identisch, aber auch die fettgedruckte Linie weist die gleiche Länge auf wie der Teil der gestrichelten Linie, der vom Rand des Universums bis zum Schnittpunkt mit der fettgedruckten Linie reicht – zwei weitere Linien, die von ein und demselben Ausgangspunkt in die Unendlichkeit führen. Daraus folgt, so argumentiert Bacon, dass ein Teil der gestrichelten Linie in der Länge der gesamten gestrichelten Linie entspricht. Dies ist jedoch ein Ding der Unmöglichkeit. Aus diesem Grund befindet sich der Rand des Universums mitnichten in unendlicher Entfernung (und somit sind die parallelen Linien in der Tat nicht gleich lang).
    Leider blieb es Bacon verwehrt, diese Zusammenhänge zu verstehen, was einer der Eigenarten der sich mit dem Phänomen der Unendlichkeit befassenden Mathematik geschuldet ist, die wie kaum eine andere dem gesunden Menschenverstand widerspricht: Unendlichkeit plus X ist Unendlichkeit. Da er dies nicht erkannte, lieferten seine Versuche einer geometrischen Beweisführung keine plausiblen Argumente gegen ein unendlich großes Universum. Die Realität sollte sich als weitaus komplexer erweisen, und so dauerte es noch Hunderte von Jahren, bis dieses
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