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Vor dem Urknall

Vor dem Urknall

Titel: Vor dem Urknall
Autoren: Brian Clegg
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Kalkül – in der Lage sein, seine Entstehung zeitlich zurückzuverfolgen und dabei zu beobachten, wie es immer kleiner wird, bis es schließlich ein Stadium erreichte, in dem die gesamte Materie in einem einzigen Punkt ganz am Anfang verdichtet war. Dieser Ausgangspunkt eines Universums wurde ursprünglich als Uratom oder kosmisches Ei bezeichnet.
    Als ich zum ersten Mal von der Urknalltheorie hörte, hatte ich so meine Zweifel, hielt ich es doch als Jugendlicher eher mit der Steady-State-Theorie (Gleichgewichtstheorie) eines meiner Lieblingsastronomen, Fred Hoyle. So war ich furchtbar enttäuscht, als die Gleichgewichtstheorie schließlich verworfen wurde – als hätte «meine» Fußballmannschaft gerade die Meisterschaft verloren. Zwar konnte ich durchaus nachvollziehen, dass alles aus diesem verdichteten Ursprungspunkt hervorgegangen sein könnte, dennoch beschäftigten mich zwei Probleme. Warum sollte dieses anfänglich extrem kompakte Universum sich auszudehnen beginnen, wenn die gesamte Materie im Universum von der Schwerkraft zusammengepresst wurde? Und wie war es möglich, alles im Universum – diese gigantische Menge an Materie – in einem derart winzigen Punkt zu verdichten?
    Anfangs fanden Lemaîtres Thesen wenig Zuspruch, was jedoch eher mit seiner Person zu tun hatte: Lemaître war Belgier und zudem katholischer Priester. Es war zweifellos ein Vorurteil, aber die meisten Leute glaubten, Belgien habe nun wirklich nichts zu bieten außer Pommes frites und guter Schokolade. Und sein Priestertum kam Lemaître in einer zunehmend atheistischen oder agnostischen Wissenschaftsgemeinde ebenso wenig zugute, zumal diese die von der katholischen Kirche betriebene Unterdrückung wissenschaftlicher und kosmologischer Theorien besonders argwöhnisch beäugte. Schließlich handelte es sich um die gleiche Kirche, die Galileis Entdeckung, dass sich die Erde um die Sonne bewegt, mit allen Mitteln zu hintertreiben versuchte. Lemaîtres kosmisches Ei stieß jedoch aus anderen Gründen auf Ablehnung.
    Lemaître hatte an der Universität Cambridge unter dem berühmten Astronomen Arthur Eddington gearbeitet, und obwohl Eddington Lemaîtres Thesen über die Expansion des Universums durchaus zugetan war, tat er sich schwer mit dem Uratom, schien dieses doch zu implizieren, dass alles in einem einzigen Punkt seinen Ursprung hatte, was wiederum ein gänzlich anderes Wesen des Universums bedeutete. Dies lief seinem Verständnis von Physik zuwider. Andere Wissenschaftler wiesen darauf hin, dass Lemaîtres Bild von der Geburt des Universums der in der Bibel beschriebenen Schöpfungsgeschichte verdächtig nahe kam. Obwohl die Wissenschaft eigentlich mit der Religion kein Problem haben dürfte, machen sich Wissenschaftler – ob sie nun richtig liegen oder nicht – immer Gedanken, ob eine Theorie von einer religiösen Lehre inspiriert ist.
    Fred Hoyle, dem Vater der als Alternative zum Urknall entwickelten Steady-State-Theorie, war es schließlich vorbehalten, der Urknalltheorie ihren Namen zu geben. Zuvor wurde das, was wir heute den Urknall nennen, als dynamisches Universum oder dynamisches Entwicklungsmodell bezeichnet, um sich von der vorherrschenden These eines statischen Universums abzuheben, bevor die Urknalltheorie schließlich auf den Plan trat. Hoyle, der sich dieses Begriffes im Jahr 1950 in einer beliebten Wissenschaftssendung des BBC -Hörfunkprogramms erstmals bediente, soll den Terminus ironisch benutzt haben (auch wenn er dies stets bestritt), aber die Bezeichnung «Urknall» blieb haften und wurde zum allgemein gebräuchlichen Namen für diesen dramatischen Moment der Entstehung eines expandierenden Universums.
    In Wirklichkeit wäre es keine große Überraschung, hätte Hoyle diese Bezeichnung im Sinne einer Anspielung gemeint, war er doch ursprünglich einer der eifrigsten Kritiker der Urknalltheorie. Fest steht jedenfalls, dass der Urknall – wenn es ihn denn gab – mit Sicherheit nicht besonders groß war, wie der Name vermuten lässt. Lemaître ging in seiner Theorie davon aus, dass alles mit einem extrem kompakten Uratom begann, in dem die gesamte Materie verdichtet war, wohingegen das Universum in späteren Varianten der Theorie seinen Ursprung in einem unendlich kleinen Punkt hatte. Ebenso vertreten viele Wissenschaftler die These, dass es überhaupt keinen Knall gab. Jedenfalls ist der Schall nicht imstande, sich durch den luftleeren Raum auszubreiten. Aber diese Kritik ob des Namens ist
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