Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vor dem Urknall

Vor dem Urknall

Titel: Vor dem Urknall
Autoren: Brian Clegg
Vom Netzwerk:
Sichtweise heran. Was aus heutiger Sicht als offensichtlicher Lapsus erscheint, ist in Wirklichkeit etwas, das wir stets bedenken sollten, wenn wir die kosmologischen Theorien betrachten, die heutzutage kursieren. Es ist absolut möglich, einige der indirekten Beweise, die den allgemein anerkannten Theorien zur Entstehung des Universums zugrunde liegen, in gänzlich anderer Weise zu interpretieren, wenn wir nur bestimmte Annahmen ausschließen.
    Die augenfälligste dieser Annahmen, die die derzeit gängigen Theorien zu durchkreuzen geeignet wären, besteht darin, dass die Grundkonstanten des Universums (die Lichtgeschwindigkeit und die Stärke der Schwerkraft beispielsweise) in verschiedenen Bereichen des Universums nicht variieren und auch im Laufe der Zeit nicht variiert haben. Stellten diese Konstanten keine festen Größen dar, wie wir dies annehmen (wobei diese Annahme größtenteils zweckorientierter Natur ist, auch wenn gewisse Indizien nicht zu leugnen sind), wäre es jederzeit möglich, viele der offenkundigen Eigenschaften des Universums zu erklären, ohne die merkwürdigen Theorien bemühen zu müssen, die uns im weiteren Verlauf dieses Buches noch begegnen werden (wie etwa kosmologische Inflation, Schwarze Löcher oder Dunkle Energie).
    Bei dem Beweis, den die alten Griechen kannten, jedoch fehlinterpretierten, und der die Vermutung nahelegte, das Universum sei größer, als sie dachten, handelte es sich um das Fehlen einer Parallaxe unter den Sternen. Als Parallaxe bezeichnet man – ausgehend von der Tatsache, dass wir über zwei Augen verfügen, zwischen denen ein bestimmter Abstand besteht – den Mechanismus, den wir uns zunutze machen, um die Entfernung eines Objekts zu ermitteln. Halten wir uns einen Finger vor die Augen und schließen abwechselnd das linke und das rechte Auge, stellen wir fest, dass sich der Finger im Verhältnis zu am anderen Ende des Raums befindlichen Objekten von einer Seite zur anderen bewegt. Dieser simple geometrische Effekt einer offensichtlich unterschiedlichen Positionierung ist ein Teil des Mechanismus, mit Hilfe dessen unser Gehirn entscheidet, ob ein Objekt größer erscheint, weil es sich in der Nähe befindet oder weil es tatsächlich so groß ist – ein Teil unserer Fähigkeit also, dreidimensional zu sehen.
    Stellen wir uns die Erde auf ihrer zwölf Monate währenden Reise um die Sonne vor. Stellen wir uns weiterhin vor, wir schauten im Abstand von sechs Monaten zweimal von der Erde zum Himmel und verglichen die Bilder, die sich uns von den beiden einander entgegengesetzten Punkten auf der Erdumlaufbahn böten. Wir erhielten das gleiche Ergebnis, als betrachteten wir das Universum durch ein Augenpaar, zwischen dessen Augen ein Abstand von vielen Millionen Kilometern liegt. Sterne, die näher an der Erde liegen, müssten sich infolge der unterschiedlichen Beobachtungspunkte stärker verschieben als weiter von uns entfernt liegende Sterne. Diese relative Bewegung ist jedoch nicht zu erkennen, wenn wir die beiden im Abstand von sechs Monaten getätigten Beobachtungen miteinander vergleichen.
    Die Griechen schlossen aus diesem Fehlen jeglicher Bewegungsaktivität nicht etwa auf ein gewaltiges Universum (oder genauer gesagt auf eine gewaltige Galaxie, befinden sich die Sterne, die sie miteinander verglichen, doch alle in unserer Galaxie), sondern nahmen an, dies sei ein weiteres Indiz dafür, dass die Sonne um die Erde kreiste und nicht umgekehrt. Würde die Erde an einem festen Punkt verharren, könnte sie auch keine Parallaxe hervorbringen. Und obwohl ein Philosoph mit der These aufwartete, die Sonne stelle das Zentrum aller Dinge dar, verwarfen die Griechen diesen Standpunkt.

Eine andere Wissenschaft
    Die Parallaxe war nicht der einzige Grund für die Argumentation der Griechen, die Erde bewege sich nicht. Ebenso wenig konnten sie nachvollziehen, warum wir den Wind nicht spürten, der von der Bewegung der Planeten ausging. Außerdem stellte eine sich bewegende Erde ein ernsthaftes Problem im Hinblick auf ihre Theorien zum Wesen von Schwerkraft und Bewegung dar. Die Griechen glaubten, ein Objekt bewege sich nur, wenn einwirkende Kräfte es bewegten – ganz im Gegensatz zu den Newton’schen Bewegungsgesetzen, die besagen, dass ein Objekt so lange in Bewegung bleibt oder im Ruhezustand verharrt, bis es durch einwirkende Kräfte zur Änderung seines Zustands gezwungen wird. Der Zug der Schwerkraft, so mutmaßten sie, wirke in Richtung des Zentrums des
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher