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Voodoo Holmes Stories

Voodoo Holmes Stories

Titel: Voodoo Holmes Stories
Autoren: Berndt Rieger
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sind nicht die richtigen Fragen gestellt worden“, sagte er. „Eigentlich geht es ja nur darum. Im ersten Fall traue ich mir zu, die richtigen Fragen zu stellen. Eine davon: Was ist diese Miss Huntington für ein Mensch, und was ist ihre Rolle in dem Ganzen? Eine simple Zeugin? Nein, das kann sie nicht sein. Sie hat mit der Ermordeten gelebt. Im zweiten Fall? Ich weiß es nicht. Es hat für mich keine Bedeutung. Ich kann mit dem Spleen eines Ministerneffen nichts anfangen. Das Leben eines anderen zu beenden, als wäre man im Krieg, oder als würde man an ihm eine Strafe statuieren, das ist etwas anderes. Wer mordet, wird wieder morden, soviel steht fest. Und diese Aussicht ist für die Lebenden beunruhigend. Die erste Frage also, die man Mr. Brekker als Haupttatverdächtigen stellen muss, ist nicht die nach seiner Morphiumsucht, sondern, ob er schon einmal gemordet hat. Nicht jeder Morphinist ist ein Mörder, soviel kann ich dir sagen. Wer mordet, begeht eine Tat wieder und wieder, die einmal das Erwürgen eines Menschen sein kann, aber auch vieles andere von gleicher Wertigkeit. Das muss man suchen, um den Mann einschätzen zu können. Ich wette, der Täter aus der Camden Road hat ein Sündenregister. Falls es nicht so ist, wirst du den Nachbarn oder anderen möglichen Zeugen andere Fragen stellen müssen, als es die Polizei getan hat. Es tut mir leid, aber mehr kann ich zu dem Fall nicht sagen, schon weil ich keinen der Beteiligten selbst gesehen habe. Ich werde jetzt ruhen.“ Sherlock erhob sich mühsam, reichte mir die Hand und lächelte schief: „In wenigen Wochen hoffe ich, dir bei dem Fall zur Seite stehen zu können. Strenge dich an, kleiner Bruder. Es steht die Familienehre auf dem Spiel.“
    „Haarklein verstanden, Mr. Holmes“, gab ich mit einer kleinen Verbeugung zurück.
     
    Am folgenden Morgen hatte Sherlock den Wagen schon bei Tagesanbruch bestellt, wie mir Mrs. Hudson miteilte, offenbar, um Abschiedsszenen zu vermeiden. Ich hatte gehofft, ihm für die Zeit des Entzugs noch einige aufrichtende Worte mitgeben zu können, und wusste nun nicht, was ich mit mir anfangen sollte. Ich öffnete den Brief, und da standen – was für meine Untersuchung als Schützenhilfe gewiss lieb gemeint war - einige fein säuberlich nummerierte Absätze mit Erkenntnissen wie: „Menschen, die andere erdrosseln, haben auch in Alltagssituationen einen ärgerlichen Gesichtsausdruck. Schaue dir die Hände an. Sind es Hände, denen man zutraut, einen anderen zu ersticken?“
    Bald brachte mich die Lektüre der London Times auf andere Gedanken. Unter der Überschrift „Ein Neffe in den Mühlen der Justiz?“ schrieb ein gewisser James T. Branagh folgende mit Gift versetzte Kolumne:
    Missratene Neffen gehören zur Oberschicht wie Pudding nach Yorkshire. Davon kann auch Sir Henry Strapton-Goyne, unser Innenminister auf Zeit, neuerdings ein Lied singen. Schließlich steht der Sohn seiner Tochter Pompilia „Poppy“ unmittelbar vor einer Mordanklage. In der Nacht auf den Dienstag wurde Jeffrey Neeling, einer jener reichen Müßiggänger, die die Nacht zum Tage zu machen gewohnt sind, zweifelsfrei als der Würger aus der Camden Road identifiziert. Er beging am 18. Januar dieses Jahres den unsäglichen Mord an Miss K., einer Krankenschwester, die von ihren Patienten ehrfurchtsvoll der Engel von St. Mary’s genannt wurde. Wer tagsüber schläft, der pflückt nachts die Blüte Englands? Sir Henry, Ihre Antwort, bitte.
    Es interessierte mich, Jeffrey als wohlhabend porträtiert zu sehen. War er wirklich gezwungen, in einer Backstube zu arbeiten? Oder konnte diese Tätigkeit als Vorwand dazu dienen, nachts durch dunkle Gassen u schleichen? Ich fuhr elektrisiert in die Höhe, schlüpfte in meinen Mantel und eilte, von Mrs. Hudsons Rufen verfolgt, die Treppe hinab, ohne einmal den Kopf zu wenden.
     
    *
     
    Der Morgen brachte dann eine Reihe erfreulicher Entdeckungen. „Franks Backstube“ lag im Hinterhof einer Straße, die in aufsehenerregender Nähe zur Camden Road lag. Der Besitzer, ein polnischer Immigrant, sagte mir jede Unterstützung zu, und als ich die hinteren Ausgänge seines Ladens untersuchte, zog er sich diskret zurück. Folgende Beobachtung: Wenn jemand im Hinterhof eine Leiter hochkletterte und auf den Dächern fünf Häuser weiter zwischen Schornsteinen und Grenzmäuerchen lief, kam in unmittelbare Nachbarschaft der Camden Road. Ich legte den Weg unter den neugierigen Blicken von Passanten unten auf der Straße
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