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Voodoo Holmes Stories

Voodoo Holmes Stories

Titel: Voodoo Holmes Stories
Autoren: Berndt Rieger
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in klarem Wasser. Dann wird er angestochen und es entsteht eine Wolke an Licht, für kurze Momente, in denen die Farbe entweicht. Das sind unendlich wertvolle Augenblicke, bevor alles zur siechen Brühe wird, und man im Trüben schwimmt. Jeffrey hatte sich sichtlich gefangen, als er uns sein Profil zuwandte.
    „Das ist er“, flüsterte die Zeugin erstickt.
    „Nehmen Sie sich Zeit“, schlug Lestrade nach einer Schrecksekunde vor. Ich fand, dass man seiner Stimme die Missbilligung deutlich anhörte.
    Sie wandte sich um. „Ich weiß, dass er es ist. Eindeutig.“
    „Nr. 6?“ Lestrade klang etwas patzig.
    „Ja.“
    „Woran haben Sie ihn erkannt? Sie sagten doch eben, er sei komisch. Vielleicht ist es das, wenn Sie meinen, er sei der Schuldige.“
    Eine kleine Pause entstand, dann betonte die Zeugin in einem gewollt nüchternen Tonfall: „Dass etwas an ihm komisch ist, ist das Eine. Dass er der Mann ist, der aus dem Haus meiner Freundin kam, ist das andere.“
    „Sie sind sich sicher?“
    „Ja.“
    „Sie sagten, er sei etwa eins achtzig Meter groß. Das ist sehr groß. Dieser Mann ist sichtlich kleiner.“
    Jetzt war sie sichtlich mit ihrer Geduld am Ende: „Inspektor, ich weiß, was ich gesehen habe.“
    „Als der Mann aus dem Haus kam, sagte er etwas zu Ihnen. Können Sie sich erinnern, was das war?“
    „Er sagte: Na, Süße?“
    „In welchem Tonfall sagte er das?“
    „So nebenbei.“
    „Als wollte er mit Ihnen flirten?“
    „Nein, eher, als ob ich ihm lästig wäre.“
    „Gut“, ließ sich Lestrade resigniert vernehmen, bevor er sich an den Wachbeamten wandte. „Nr. 3 soll Na Süße sagen.“
    Der Wachmann öffnete die Klappe: „Nr. 3. Sagen Sie: Na Süße?“
    Nr. 3 befolgte die Anweisung. Er sagte die drei Silben so, als wüsste er gar nicht, was sie bedeuteten.
    „Nr. 6“, sagte Lestrade.
    Die Klappe ging wieder auf.
    „Nr. 6.: Na, Süße?“
    Die Worte hallten in dem Saal, und als Jeffrey Na Süße? Sagte, mit einer noch jugendlichen Baritonstimme, ging ihm das leichter von den Lippen. Es klang tatsächlich wie etwas, das er vielleicht schon öfter einmal gesagt hatte.
    „Ich möchte noch einen der Männer sprechen lassen“, meinte Lestrade im Versuch, das Ruder wieder zu übernehmen und dabei auch wieder ruhig zu werden. „Wie wäre es mit Nr. 2?“
    Hier handelte es sich um den Tatverdächtigen, einen gewissen Mr. Baring. Er war mit der Toten befreundet gewesen. Als hier das Kommando kam, zuckte der Tatverdächtige sichtlich zusammen. Er stotterte fast, als er Na Süße? In den Raum schallen ließ.
    „Nr. 3 ist nervös, aber der Mann, den ich gesehen habe, war Nr. 6.“
    „Und er ist auch jener, der Sie angesprochen hat? Sie erkennen auch seine Stimme?“
    „Ja.“
    „Und wenn Sie beispielsweise Nr. 2 betrachten. Sieht er in irgendeiner Art und Weise dem Mann ähnlich, der Ihnen in der Nacht vom 18. Januar vor dem Haus Ihrer Freundin, Margaret Keen, begegnete?“
    „Er sieht ihm vage ähnlich. Aber es ist nicht der Mann.’“
    „Definieren Sie vage“, forderte Lestrade in einem Ton, der erkennen ließ, dass er am Ende seiner Geduld war. „Er entspricht wenigstens größenmäßig dem Mann, den Sie in Ihrer Aussage beschrieben haben.“
    Ich fragte mich, ob es der Wahrheitsfindung dienlich war, eine Zeugin dermaßen in die Enge zu treiben. Auch sie schien das so zu empfinden, denn jetzt war der Frust auch in ihrer Stimme unverkennbar. Gleichwohl gab sie sich Mühe, sich zu mäßigen, als sie sagte: „Was wollen Sie von mir, Inspektor? Welches Spiel treiben Sie hier? Verlangen Sie von mir, dass ich einen unschuldigen Mann anschwärze? Ist es das? Ich sage Ihnen noch einmal, Nr. 6 ist der Mann vor dem Haus. Nr. 2 habe ich in meinem ganzen Leben noch nie gesehen.“
     
    *
     
    Frühstück bei Sir Henry Strapton-Goyne zwei Tage später. Der Innenminister war erst vor drei Monaten ins Amt gekommen, und wenn man den Zeitungen trauen durfte, würde die Regierung, der er angehörte, keinen langen Bestand haben. Die Tatsache, dass einer seiner Enkel im Verdacht stand, eine Krankenschwester erdrosselt zu haben, konnte ihm und der Partei, der er vorstand, allerdings gefährlich werden. Doch das merkte man dem gutaussehenden Mann mit den schlohweißen Haaren nicht an, dem auch keiner seine 58 Jahre zugetraut hätte. Er war einer dieser Ausnahmeerscheinungen, ein Gesellschaftsmensch, der trotzdem den Kontakt mit den einfachen Menschen behalten hatte und große Popularität genoss. Dass
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