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Voodoo Holmes Stories

Voodoo Holmes Stories

Titel: Voodoo Holmes Stories
Autoren: Berndt Rieger
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wie er behauptet. Vier Stunden flanieren, Sir. Die Sache ist bedenklich, selbst wenn ich zugebe, dass es sonst nichts gibt, das ihn mit Miss Keen verbindet. Oder gar ein Tatmotiv abgeben würde. Hinzu tritt, dass Mr. Neeling unbescholten ist und seine Anwesenheit bei der Aufstellung Zufall war. Es ist sein Hobby, Sir.“
    Sir Henry seufzte und rollte mit den Augen. „Leider ist es das. Wollen wir mal hoffen, dass das Hobby meines Neffen uns nicht alle zum Verhängnis wird. Es hängen einige Karrieren an der Sache, Gentlemen, und nicht zuletzt auch die meine.“
    „Wenn es Mr. Brekker gewesen sein sollte, was wäre das Tatmotiv gewesen?“ mischte sich Sherlock in das Gespräch.
    „Ah, das“, antwortete Sir Henry und zeigt auf Lestrade. Dieser verzog keine Miene, als er bekannt gab: „Morphinismus.“
    „Wie bitte?“
    Sherlock behielt seine Pokermiene, aber ich merkte, dass Dr. Watson errötete.
    „Mr. Brekker ist Morphinist. Er hat eine Abhängigkeit, er ist süchtig. Er liegt nahe, dass er die Bekanntschaft mit Miss Keen nur deshalb gesucht hatte, um sich Nachschub zu beschaffen. Als Krankenschwester hatte sie Zutritt zu Morphium. Wir stellen uns die Sache so vor, dass es sich bei dem Mord um ein Drogenvergehen handelt. Sie hatte ihm Nachschub versprochen, und der blieb dann aus. Mr. Brekker erdrosselte sie in seiner Erregung. Sie müssen wissen, dass Entzugserscheinungen solche Kurzschlussreaktionen auslösen können.“
    Mit diesen wohldosierten Worten wurde allen im Raum (vielleicht mit Ausnahme von Maddox) klar, was dieser morgendliche Tee beim Innenminister bedeutete. Es war ein Erpressungsversuch, nichts anderes. Durch die Indiskretionen des Dr. Watson war bekannt geworden, dass mein Bruder selbst dieser neuartigen Krankheit des Morphinismus verfallen war, bei der Tatkraft und Freude mit dem Tal der tiefsten Depression abwechseln. Nicht beschrieben hatte Watson allerdings den Hunger, der Holmes dann erfasste, diese Gier bis zur Unerbittlichkeit, die nur durch die neuerliche Gabe von Morphium stillen konnte. Es war unausdenkbar, was passieren konnte, wenn einmal Dr. Watson durch ein Unglück den gewünschten Nachschub nicht mehr beschaffen konnte. Denn die kriminelle Energie, die so ein Entzug hervorruft, ist nicht zu unterschätzen. Davon ist in den Schriften des Dr. Watson keine Rede, und auch nicht von der Macht, die er dadurch in den letzten Jahren über meinen Bruder gewonnen hatte, und die eine echte Freundschaft längst verunmöglichte. Es war klar, was Sir Henry mit dieser subtilen psychologischen Attacke bezweckte. Die „unabhängige“ Stimme meines Bruders, des Meisterdetektivs, sollte in den Medien Jeffrey Neeling, den Neffen des Innenministers, reinwaschen, und sein Spürgeist, sein Einfallsreichtum sollten diesmal nicht der Wahrheitsfindung, sondern einzig und allein dazu dienen, allen Beteiligten einen Weg aufzuzeigen, wie sie sich möglichst elegant aus der Affäre ziehen konnten.
    Alle Augen waren nun auf Sherlock gerichtet, aber er schwieg. Wahrscheinlich schwieg er, um diese Attacke aus dem Hinterhalt erst einmal zu verdauen. Nun, Sir Henry mochte als Politiker beliebt geworden sein – nun verstand man aber auch, wie er es zuerst an die Spitze seiner Partei und dann auch noch ins Amt gebracht hatte. Um meinem Bruder zu helfen, räusperte ich mich und sagte: „Ich war ja in der Nacht der Gegenüberstellung anwesend und möchte Ihnen gerne sagen, was ich dabei wahrgenommen habe, Sir. Als Erstes Miss Huntington. Ich glaube, mit Sicherheit sagen zu können, dass sie Mr. Brekker wirklich nicht erkannte. Das ist nicht so überraschend. Die beiden Frauen führten ein Parallelleben und schliefen abwechselnd im gleichen Bett. Wenn eine Dienst hatte, ruhte die andere. So waren auch die Lebensbereiche getrennt. Miss Huntington machte gerne Spätschicht bis Mitternacht und schlief dann morgens bis Mittag. Mr. Brekker arbeitete in einem Buchladen. Er verließ das Haus morgens um acht und kehrte nach achtzehn Uhr heim zu einer Zeit, als Miss Huntington schon wieder im Schichtdienst war. Es ist nicht erstaunlich, sondern sogar wahrscheinlich, dass sie einander in den vier Monaten, seit denen sich Miss Huntington in der Stadt befand, nicht begegneten.“
    „Buchladen? Vier Monate? Woher haben Sie diese Informationen?“ rief Sir Henry.
    Ich nickte in die Richtung von Maddox, der dort mit seinen Akten saß und bislang noch keinen Ton gesagt hatte. Er hatte eine etwas abgewetzte Tasche dabei, in
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