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Von Zweibeinern und Vierbeinern

Von Zweibeinern und Vierbeinern

Titel: Von Zweibeinern und Vierbeinern
Autoren: James Herriot
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Welpen. Sie waren zwölf Wochen alt und sahen mich mit neugierigen Augen an.
    »Zwei schöne Tiere«, sagte ich. »Und wie heißen sie?«
    »Ruffles und Muffles«, antwortete Mr. Whithorn. »Wir wollen das Andenken an unsere beiden verstorbenen Lieblinge wach halten.« Er griff nach den Welpen und überschüttete sie mit Küssen.
    Nach der Impfung dauerte es eine Zeitlang, ehe ich die Hunde wiedersah. Ja, es muß fast ein Jahr später gewesen sein, als ich zu den Whithorns gerufen wurde.
    Als ich in das Wohnzimmer kam, saßen Ruffles und Muffles Nummer 2 nebeneinander auf dem Sofa. Eine merkwürdige Starrheit war in ihrer Haltung. Als ich mich ihnen näherte, blickten sie mir kalt entgegen, und wie auf ein Kommando entblößten beide ihre Zähne und fingen an, leise, aber drohend zu knurren.
    Ein Schauder durchfuhr mich. Es konnte doch nicht wieder passieren! Aber als Mr. Whithorn Ruffles auf den Tisch hob und ich mein Auroskop aus der Hülle nahm, merkte ich schnell, daß das Schicksal die Uhr zurückgedreht hatte. Das kleine Tier stand da und betrachtete mich mißtrauisch.
    »Halten Sie bitte seinen Kopf«, sagte ich. »Ich will zuerst die Ohren untersuchen.« Ich nahm das Ohr zwischen Zeigefinger und Daumen und führte vorsichtig das Auroskop ein. Ich beugte mich zu dem Instrument hinunter und sah mir den äußeren Ohrgang an, als der Hund plötzlich auf mich losging. Ich fuhr mit dem Kopf zurück, hörte ein bösartiges Knurren und spürte, wie mir der Luftzug der zusammenklappenden Zähne ins Gesicht fuhr.
    Mr. Whithorn richtete sich fröhlich auf. »Oh, ist er nicht ein süßer kleiner Affe? Ha, ha, ha, ha. Er will den Unsinn einfach nicht haben.« Er stützte die Hände auf den Tisch, schüttelte sich vor Lachen und wischte sich die Augen. »O nein, o nein, was für ein Charakter!«
    Ich starrte den Mann an. Die Tatsache, daß er leicht einem Tierarzt ohne Nase hätte gegenüberstehen können, schien ihm nichts zu bedeuten. Ich starrte auch seine Frau an, die hinter ihm stand. Sie lachte genauso fröhlich. Wie sollte ich diesen Leuten Vernunft beibringen? Ich konnte nichts anderes tun, als weiterzumachen.
    »Mr. Whithorn«, sagte ich streng. »Würden Sie ihn bitte wieder halten. Und packen Sie ihn diesmal mit beiden Händen fest am Hals.«
    Er sah mich ängstlich an. »Tut ihm das denn nicht weh?«
    »Nein, natürlich nicht.«
    »Gut.« Er legte seine Wange an den Kopf des Hundes und flüsterte zärtlich auf ihn ein. »Herrchen verspricht dir, ganz vorsichtig zu sein, mein Engel. Brauchst keine Angst zu haben, mein Süßer.«
    Er griff die lose Haut im Genick, wie ich ihm gesagt hatte, und ich machte mich wieder an die Arbeit. Ich starrte in das Innere des Ohrs, lauschte Mr. Whithorns gemurmelten Beschwichtigungen und war jeden Augenblick auf einen neuen Ausbruch gefaßt. Aber als er kam, begleitet von wütendem Gekläff, merkte ich, daß ich diesmal nicht in Gefahr war, denn Ruffles hatte seine Aufmerksamkeit auf etwas anderes gelenkt.
    Ich ließ das Auroskop fallen, sprang zurück und sah, daß der Hunde seine Zähne in den Daumen seines Herrn grub. Und es war nicht nur ein Zuschnappen, er verbiß sich und schlug die Zähne tief ins Fleisch.
    Mr. Whithorn stieß einen durchdringenden Schmerzensschrei aus, ehe er sich losmachen konnte.
    »Du verdammter kleiner Mistkerl!« schrie er und tanzte durchs Zimmer, wobei er seine verletzte Hand hochhielt. Ich sah, daß aus zwei tiefen Löchern Blut tröpfelte, und sah zu Ruffles hin. »Oh, du widerliche kleine Bestie!«
    Ich dachte an Siegfrieds Worte über das Getue dieser Leute und daß sie lieber vernünftig mit ihren Hunden umgehen sollten. Nun, vielleicht war dies der Anfang.

Kapitel 21
     
    »Alles in Ordnung, Mr. Herriot?«
    Lionel Brough blickte besorgt zu mir herunter, als ich auf Händen und Füßen durch das Drahtgeflecht kroch.
    »Ja«, keuchte ich. Lionel war sehr dünn und war wie eine Schlange durch die Öffnung geschlüpft. Ich dagegen hatte meine Schwierigkeiten.
    Es gab ein paar ungewöhnliche Farmen, Gehöfte und Stallungen in unserer Gegend – darunter ausrangierte Eisenbahnwaggons, Hühnerhäuser und andere seltsame Behausungen –, aber diese hier, dachte ich immer, verdiente den Preis.
    Lionel gehörte zu den damals recht zahlreichen Leuten, die als Straßenarbeiter arbeiteten und nebenher ein bißchen Vieh hielten. Manche besaßen vier Kühe, andere ein paar Schweine, aber Lionel hatte alles.
    Er hatte seine Sammlung von Tieren in einem
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