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Von Zweibeinern und Vierbeinern

Von Zweibeinern und Vierbeinern

Titel: Von Zweibeinern und Vierbeinern
Autoren: James Herriot
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großen Schuppen untergebracht, der an der Seite seines Häuschens stand. Er hatte den Schuppen mit Hilfe von allem, was ihm in die Finger kam, in einzelne Abteilungen unterteilt. Es war ein einziges Labyrinth. Hochgestellte Bettgestelle, Tafeln aus Sperrholz und verrostetem Blech und Matten von Maschendraht trennten die Tiere voneinander. Nirgendwo waren Türen oder Durchgänge.
    Schnaufend kam ich wieder auf die Füße. »Wo ist das Kalb?«
    »Es ist nicht mehr weit, Mr. Herriot.« Wir kamen an seiner einzigen Kuh vorbei, dann an Ferkeln, die an meinen Absätzen herumknabberten, während Lionel mit viel Mühe eine Reihe von Knoten aus rauhem Bindfaden aufmachte, damit wir die nächste Abteilung betreten konnten.
    Hier sahen uns teilnahmslos zwei Schneeziegen entgegen.
    »Gute Milchziegen, die beiden«, brummte Lionel. »Die Frau macht wohlschmeckenden Käse daraus, und es ist gesunde Milch, nicht?«
    »Ja, das stimmt.« Damals, als die Tuberkulose noch eine ständig drohende Gefahr war, wurde die Milch von den vergleichsweise gegen TB immunen Ziegen hoch geschätzt. Die Rückwand des Ziegenstalls bestand aus der Platte eines Mahagonitisches, der auf die Seite gekippt war und mit den Beinen in den Stall hineinragte. Ich beäugte ihn vorsichtig, ehe ich über ihn hinwegkletterte – ich hatte mir von den Rollen unter den Beinen schon manchen blauen Fleck geholt.
    Jetzt waren wir bei den Kälbern. Es waren drei, und es war leicht, meine Patientin herauszufinden, ein schwarzes Kälbchen, dem eitriger Ausfluß die Nasenlöcher verklebte.
    Als ich mich hinunterbeugte, um die Temperatur zu messen, mußte ich ein paar gackernde Hennen zur Seite scheuchen, und eine fette Moschusente watschelte mir aus dem Weg. Das Federvieh schien hier den Ton anzugeben. Es hüpfte und flatterte von Stall zu Stall und aus dem Schuppen hinaus und wieder herein. Von meinem Standort beim Kalb aus sah ich ein ganzes Sortiment von Katzen, die auf Fenstersimsen und Trennungswänden hockten. Ein plötzliches Knurren vom Ende des Schuppens her kündigte den Beginn eines freundlichen Kampfes zwischen Lionels drei Hunden an. Durch die offene Tür sah ich zwei Schafe, die friedlich auf der Wiese neben dem kleinen Häuschen grasten.
    Ich sah auf das Thermometer – fast vierzig Grad. Dann horchte ich die Brust mit meinem Stethoskop ab. »Nur eine kleine Bronchitis, Lionel, aber es ist gut, daß Sie mich gerufen haben. Es sind ein paar Geräusche in der Lunge, und es könnte zu einer Lungenentzündung kommen. Ein paar Spritzen werden das wieder in Ordnung bringen.«
    Lionel nickte ruhig. Er war ein schwer zu durchschauender Mann, aber freundlich, und seine Tiere waren gut genährt und gut untergebracht in ihrer exzentrischen Umgebung. Überall lag reichlich Stroh, und die Heuraufen und Tröge waren gut gefüllt.
    Ich betastete meine Taschen. Sie waren ausgebeult von Flaschen und Spritzen. Ich hatte alles, was ich möglicherweise brauchte, mitgebracht. Es war nicht so leicht, den Schuppen wieder zu verlassen, wenn man etwas im Wagen vergessen hatte.
    »Morgen komme ich wieder. Da ist Sonntag und Sie brauchen sicher nicht zur Arbeit, nicht?« sagte ich, nachdem ich dem Kalb die Spritze gegeben hatte.
    »Stimmt. Ich danke Ihnen, Mr. Herriot.« Er drehte sich um und führte mich durch das Labyrinth seiner Ställe zurück.
    Am folgenden Tag ging es dem Kalb erheblich besser. »Die Temperatur ist normal, Lionel«, sagte ich. »Und es ist wieder auf den Beinen. Das ist ein gutes Zeichen.«
    Der Straßenarbeiter nickte geistesabwesend, und ich sah, daß ihm irgend etwas im Kopf herumging. »Ah, fein, das ist großartig... ich bin sehr froh.« Seine Augen sahen einen Moment ausdruckslos an mir vorbei, dann schien er plötzlich wieder in die Wirklichkeit zurückzukehren.
    »Mr. Herriot!« Seine Stimme klang ungewohnt dringend. »Da ist etwas, was ich Sie fragen wollte.«
    »Ja?«
    »Also, ich will Ihnen sagen, was es ist.« Er sah mich aufmerksam an. »Ich überlege, ob ich mit Schweinen groß einsteige.«
    »Sie meinen... Sie wollen eine Menge Schweine haben?«
    »Ja, genau das. Nur Schweine und nichts anderes. Und in einem richtigen Stall.«
    »Das würde bedeuten, daß Sie einen Schweinestall bauen müßten.«
    Er schlug sich mit der Faust in die Handfläche. »Sie sagen es. Das ist es, was mir vorschwebt. Ich habe immer Schweine gemocht, und ich möchte es ordentlich machen. Ich könnte den Schweinestall draußen auf dem Feld bauen.«
    Ich sah ihn überrascht
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