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Von Fall zu Fall

Von Fall zu Fall

Titel: Von Fall zu Fall
Autoren: A. A. Fair
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gezogen, daß der Mund aus einer gewissen Entfernung ganz hübsch wirkte, sozusagen wie eine — freilich etwas zu große — Rosenknospe.
    Sie blickte mich an, wandte den Blick ab, sah mich wieder an und sagte mit weicher, einschmeichelnder Stimme: »O ja, Mr. Lam. Ihre Partnerin hat mir Ihren Besuch angekündigt.«
    Ich versuchte es mit flott=geschäftsmäßigem Ton. »Wie ich hörte«, begann ich, indem ich ohne Anlaß mein Notizbuch aufklappte — schon allein aus dem Grunde, weil das immer ein gutes Requisit ist —, »wie ich hörte, ist Ihr Gatte verschwunden, und Sie möchten ihn wiederhaben.«
    Die schwarzen Augen unter den langen Lidern blitzten mich an, dann senkten sich die Lider plötzlich, als wollte sie mich hindern, gerade jetzt ihre Gedanken zu lesen. »Wäre ja denkbar, daß ich ihn gar nicht zurückhaben will«, sagte sie. »Zur Zeit möchte ich jedenfalls nur wissen, was aus ihm geworden ist. Hierbei bewegen mich, offen gesagt, eigentlich nur selbstsüchtige Gedanken — ehefrauliche weniger.«
    »Ich verstehe«, pflichtete ich bei.
    »Sie verstehen gar nichts«, warf sie mir vor. »Das sagen Sie bloß, weil es nett klingen soll. In Wirklichkeit sind Sie über mich entsetzt, denn Sie sind sicher nicht gewöhnt, Frauen unverblümt reden zu hören, stimmt's?«
    »Ich kann mich leider an Frauen überhaupt nicht gewöhnen«, gestand ich. »Die produzieren stets Überraschungen für mich.«
    »Na ja«, sagte sie gespielt bescheiden, »ich bin gewiß ungewöhnlich in meiner Offenherzigkeit, kann's mir aber leisten, frei heraus zu reden. Habe es nie für nötig gehalten, Ausflüchte zu suchen. Wenn ich jemanden leiden mag, sage ich das. Wen ich nicht mag, nun, der wird das schon merken.«
    »Und welcher Maßstab gilt da augenblicklich für Ihren Gatten?«
    »Tja, gerade das weiß ich eigentlich selbst nicht zu erklären«, antwortete sie, indem sie die Beine übereinanderschlug und mit den Fingerspitzen der rechten Hand über das obere bestrumpfte Knie strich. »Mr. Lam, ich müßte Ihnen wohl zur Rechtfertigung meiner Haltung, die Sie vielleicht nicht verstehen, erzählen, daß mein Mann abends am Fünften, als er zuletzt gesehen wurde, in Gesellschaft einer blonden >Anhalterin< reiste. Er hatte mich treu und brav jeden Abend angerufen, bis dieses kesse Landstraßenflittchen in seinen Gesichtskreis trat. Von da an scheint er einfach verschwunden zu sein.«
    »Es wäre sehr nützlich, wenn ich über alle Tatsachen unterrichtet würde«, sagte ich.
    Sie nickte. »Mein Mann ist Reisender, Vertreter einer großen Firma«, fuhr sie fort. »Er ist sogar recht tüchtig in seinem Fach, aber, offen gesagt, Mr. Lam, wir sparen kaum Geld. Wenn ich jetzt die Scheidung beantragte, würde das gemeinsame Vermögen nicht einmal zur Deckung der Gerichtskosten reichen. Andererseits aber hat mein Mann ein hohes Einkommen — das er glatt ausgibt —, und ich habe ihm bisher immer noch aushelfen können.«
    Ich nickte, ließ mein Notizbuch offen, zog einen Füllhalter aus der Tasche und hielt die Feder etwa fünf Zentimeter über dem Papier, wie zum Schreiben bereit. Erfahrung hatte mich gelehrt, daß bei Klienten eines bestimmten Typs diese Positur zu Ergebnissen führt.
    »Wenn ich mich von ihm scheiden lasse«, sagte sie, »verlange ich Unterhaltszahlungen. Ich will vor Ihnen keine zimperlichen Umschweife machen, Mr. Lam. Falls ich ihn bei einem Seitensprung ertappen kann, dann möchte ich ihn in flagranti fassen und das so klipp und klar beweisen können, daß es einfach nichts abzustreiten gibt.«
    »Somit sind Sie leider an die falsche Adresse geraten, denn unsere Agentur übernimmt keine Scheidungssachen.«
    »Es ist ja keine Scheidungssache«, sagte sie, »sondern es handelt sich um reine Ermittlungen. Das ist doch wohl ein Unterschied. Als ich das Mrs. Cool am Telefon erklärte, fand sie sich ja bereit, meinen Fall zu übernehmen. Da sie ausdrücklich darauf hinwies, daß sie die geschäftlichen Vereinbarungen persönlich träfe, betrachte ich diese Seite der Angelegenheit als abgeschlossen.
    Im übrigen glaube ich auch nicht, daß mein Mann nur den Schwerenöter spielt, sondern daß noch anderes passiert ist. Er wäre sonst nicht so lange fortgeblieben, ohne sich mit mir in Verbindung zu setzen. Selbst wenn diese Blondine gut ist — aber so gut ist sie bestimmt nicht.
    Sehen Sie, mein Mann ist zehn Jahre älter als ich. Um die Geschichte mal vom biologischen Standpunkt aus zu betrachten: Er würde sich nie
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