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Von Fall zu Fall

Von Fall zu Fall

Titel: Von Fall zu Fall
Autoren: A. A. Fair
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monatlichen Betrag aus? Schicken Sie ihm einen Scheck?«
    »Ich denke gar nicht daran! Ich nehme meine Pflichten als Treuhänder viel zu ernst, um sie so nachlässig zu erfüllen. Ich lasse
    Mr. Gage jedesmal, wenn das Monatsgeld ausgezahlt werden soll, in mein Büro kommen. Dann händige ich es ihm in bar aus und lasse mir eine Quittung geben.«
    »Für wie viele Monate haben Sie ihm mehr als dreihundert Dollar gegeben?«
    »Niemals hat er von mir mehr als dreihundert bekommen«, erwiderte Campbell. »Er hat ja keineswegs den Willen gezeigt, sich so zu bessern, daß eine Erhöhung seines Monatsgeldes gerechtfertigt gewesen wäre.«
    »Haben Sie die Absicht«, fragte ich, »wenn die Treuhänderschaft aufhört, selbst festzustellen, wo Amos Gage sich befindet und ob er nicht...«
    »Fällt mir ja gar nicht ein«, antwortete er schnell. »Ich bin der Treuhänder, und Mr. Gage hat die Pflicht, an seinem fünfunddreißigsten Geburtstag zu mir zu kommen und mich zu überzeugen, daß er die Bedingungen des Testaments erfüllt hat. Da jedoch der Zeitpunkt, an dem die letzte Zahlung fällig wurde, verstrichen ist, vermute ich stark, Mr. Lam, daß nicht alles in Ordnung ist.«
    »Was meinen Sie mit >nicht in Ordnung    »Ich nehme an, er ist in irgendwelche Schwierigkeiten geraten, vielleicht sitzt er auch im Gefängnis. Bin überzeugt, daß er gegen seinen Willen verhindert war, zu mir zu kommen;«
    »Und wenn das zutrifft?«
    »Sollte er im Gefängnis sitzen, so geht das Vermögen an die Wohlfahrtsverbände.«
    »Ich darf wohl annehmen«, wandte ich ein, »daß Sie alles mit Ihren Anwälten nachprüfen?«
    Campbell wurde rot. »Was soll das heißen — Anwälte? Die brauche ich nicht. Ich gehe jährlich einmal mit meinen Abrechnungen zum Vormundschaftsgericht. Voriges Jahr hat man dort die große Gewissenhaftigkeit, mit der alles aufgestellt war, besonders gelobt.«
    »Wenn Sie selbst als Rechtsanwalt handeln«, sagte ich, »dann lesen Sie lieber die Bedingungen des Testaments noch einmal langsam und genau nach.«
    »Wieso? Was heißt das?«
    »Im Testament ist festgelegt«, sagte ich, »daß Sie, wenn er an seinem fünfunddreißigsten Geburtstag noch lebt und nicht wegen eines Verbrechens verurteilt worden ist, das Vermögen aushändigen müssen.«
    »Ganz richtig, da gibt's gar keine Zweifel.«
    »Und wie ist das Wort >Verbrechen< zu definieren?« fragte ich.
    »Gemeint ist jedes Verbrechen«, antwortete er salbungsvoll. »Alles, was möglicherweise eine Gefängnisstrafe bedingen würde, fällt unter diesen Begriff. Ich weiß auch genau, was der Erblasser im Sinn gehabt hat, und denke ebenso.«
    »Aber es ist da noch ein Wort enthalten, auf das Sie vielleicht nicht geachtet haben.«
    »Und das wäre?«
    »Verurteilt.«
    Campbell wollte schnell etwas sagen, besann sich jedoch, machte eine Pause und holte tief Atem. »Sie meinen, es könnte...«, begann er, hielt mitten im Satz inne und dachte wieder nach.
    »Genau das!« erklärte ich. »Ich meine, daß — selbst wenn Amos Gage in flagranti bei einem Mord gefaßt, verhaftet und wegen Mordes vor Gericht gestellt würde, die Geschworenen aber vor dem Fünfundzwanzigsten dieses Monats noch kein Urteil gefällt haben —, daß Sie dann das Vermögen auszahlen müssen.«
    »Also das... Das ist ja — ist ja einfach lächerlich, Mr. Lam!« rief er.
    »So lautet aber die Testamentsbestimmung.«
    »Und wenn auch! Das ist aber doch nicht der Geist des Testaments.«
    »Was bestimmt über eine Treuhänderschaft dieser Art: das Wort oder der Geist?« fragte ich mit harmloser Miene.
    »Ich — hm — Mr. Lam, wollen Sie mich hier etwa irgendwie ködern?«
    »Aber nein«, erwiderte ich. »Sie haben ja den Haken schon geschluckt, ohne daß ich erst einen Köder brauchte.« Damit verließ ich, von seinem finsteren Blick verfolgt, das Büro.
     

4
     
    Damit Bertha mich bei meinem Erscheinen im Büro nicht wie verrückt anbrüllen konnte, falls Mrs. Beckley wieder bei ihr anrief und erwähnte, daß ich noch nicht da gewesen sei, schob ich einige andere Wege, die ich noch erledigen wollte, auf und begab mich in das Ringold=Haus, Wohnung Nr. 721.
    Daphne Beckley war eine blendend aussehende Brünette mit glänzendem dunklem Haar, schwarzen Augen und einer tadellosen, reizvollen Figur. Ich schätzte sie auf noch nicht dreißig, vielleicht nicht einmal älter als fünfundzwanzig. Das einzig Unschöne war ihr Mund.
    Die Lippen waren zu dick, doch sie hatte mit Rouge die Linien so geschickt
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