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Von der Nacht verzaubert

Titel: Von der Nacht verzaubert
Autoren: Amy Plum
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Atem von der Anstrengung.
    Behutsam öffnete ich es und erkannte zwischen mehreren Lagen Einwickelpapier eine kleine Handtasche, die aus demselben Stoff gemacht war wie mein asiatisch gemustertes Seidenkleid. An beiden Seiten war eine Kette befestigt, so lang, dass sie auf Hüfthöhe hängen würde, wenn ich sie über der Schulter trug. Verschlossen wurde sie von einer Schnalle, die aus zwei Blüten bestand, eine silber, eine rot lackiert, ebenfalls passend zum Muster meines Kleids. »Mein Gott, Vincent, die ist wunderschön«, schwärmte ich und fuhr mit dem Finger darüber.
    »Mach sie auf«, sagte er. Das Glitzern in seinen Augen verriet mir, dass er das mindestens genauso genoss wie ich. Vielleicht sogar noch mehr.
    Vorsichtig schob ich die beiden Blumen auseinander, um die kleine Tasche aufzuklappen. Zum Vorschein kam ein kleiner Stapel Eintrittskarten. Ich hielt sie in das fahle Licht, das die Straßenlaternen bis aufs Wasser warfen, und erkannte das Logo der Opéra Garnier.
    Ich sah Vincent fragend an und er erklärte: »Du hast mir mal erzählt, dass du Tanz magst. Das hier sind Karten für die Opéra Garnier, wo all die großen Ballettaufführungen stattfinden und man auch zeitgenössischen Tanz sehen kann. Ich habe uns für die kommende Spielzeit eine Loge reserviert. Dafür ist auch das Kleid, aber da die erste Aufführung erst in ein paar Wochen stattfindet, wollte ich dich nicht so lange warten lassen, bis du es das erste Mal tragen kannst.«
    Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte. Meine Augen füllten sich mit Tränen.
    Vincent hörte auf zu rudern. »Was ist los, Kate? Hab ich was falsch gemacht? Du hast gesagt, du würdest gern auch mal was machen, was ganz normale Paare tun. Ich dachte, das wäre eine gute Idee.«
    Als ich meine Sprache wiedergefunden hatte, sagte ich: »Ich kann an einem Opernabo und einer Privatloge in der Opéra Garnier nichts Normales finden. Oder daran, mir extra dafür ein Kleid maßanfertigen zu lassen. Nein, Vincent«, ich schüttelte den Kopf. »Normal ist dafür sicher nicht das richtige Wort.«
    Seine Gesichtszüge entspannten sich, als er begriff, dass er nichts falsch gemacht, sondern mich einfach völlig überwältigt hatte. »Welches Wort wäre denn passender? Unnormal?«
    »Einzigartig. Außergewöhnlich. Das absolute Gegenteil von normal.«
    »Meine liebe Kate, ich habe dir doch schon einmal gesagt, dass ich etwas wiedergutzumachen habe, weil ich dir kein normales Leben bieten kann. Und das möchte ich gern auf außergewöhnliche Weise tun.«
    »Das machst du auf jeden Fall schon sehr gut«, hauchte ich.
    »Da ist noch ein Geschenk«, sagte er und nickte zu dem verschlossenen Päckchen.
    Ich wickelte eine aufklappbare Schmuckschachtel aus. Sie war so groß, dass sie sicher für eine Kette oder ein Armband gedacht war. Ich blinzelte ihn beunruhigt an. »Vincent, für so etwas ist es doch noch viel zu früh«, sagte ich. Das war mir sehr unangenehm.
    »Ich glaube, dass ich dich mittlerweile schon ein bisschen kenne.« Er genoss es sichtlich, wie unwohl mir gerade war. »Meinst du echt, ich würde es wagen, dir jetzt schon Schmuck zu schenken? Damit würde ich dich ja ganz sicher in die Flucht schlagen. Glaub mir, es ist nicht das, was du denkst.«
    Langsam öffnete ich die Schachtel. Darin lag eine Karte. In winziger, uralt aussehender Handschrift stand dort:
    Für Kate Beaumont Mercier, Fechtunterricht gegeben durch meine eigene Person, Gaspard Louis-Marie Tabard. Zahl der Unterrichtsstunden festgelegt von V. Delacroix: So viele, wie du schaffst.
    »Oh, Vincent!«, rief ich und warf mich so abrupt in seine Arme, dass ich dabei fast das Boot zum Kentern brachte. »Das ist goldrichtig — einfach perfekt.« Ich setzte mich wieder auf meinen Platz und schüttelte vor lauter Staunen den Kopf. Er lachte und ruderte weiter. »Du bist perfekt«, stöhnte ich. Daraufhin schenkte er mir dieses versonnene Lächeln, das mich fast umhaute und ins Wasser plumpsen ließ.
    »Das letzte Geschenk ist eigentlich mehr mein Dankeschön dafür, dass du mich davor bewahrt hast, bis ans Ende meiner Tage als körperloser Geist durch die Weltgeschichte schweben zu müssen«, erklärte er mir.
    »Dabei hast du das doch eigentlich ganz allein verhindert«, protestierte ich.
    »Es wäre nicht möglich gewesen, wenn du nicht so willensstark wärst. Bald kannst du das auch ganz allein, davon bin ich überzeugt. Ich hoffe natürlich, dass du diese Kunst niemals anwenden musst. Aber
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