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Von der Erde zum Mond

Von der Erde zum Mond

Titel: Von der Erde zum Mond
Autoren: Jules Verne
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erfolgt.
    Zum Glück trat dieser Fall nicht ein, und nach einigen Stunden lagerte das behutsam in die Seele der Kanone hinabgesenkte Projectil auf der baumwollenen Unterlage wie auf Eiderdaunen. Seine Schwere wirkte nur dahin, die Ladung der Columbiade stärker zu verpfropfen.
    »Ich hab’ verloren«, sagte der Kapitän, und stellte dem Präsidenten Barbicane dreitausend Dollars zu.
    Barbicane wollte von seinem Reisekameraden das Geld nicht annehmen; aber er mußte Nicholl’s Beharrlichkeit nachgeben, der, bevor er die Erde verließ, alle seine Verbindlichkeiten erfüllen wollte.
    »Dann«, sagte Michel Ardan, »habe ich nur noch ein en Wunsch für Sie, mein wackerer Kapitän.«
    – Und der wäre? fragte Nicholl.
    »Daß Sie auch die beiden anderen Wetten verlieren mögen! Dann werden wir sicherlich auf der Reise nicht drauf gehen.«
Sechsundzwanzigstes Capitel.
Feuer!
    Der erste des December nahte heran, ein verhängnißvoller Tag, denn wenn das Abschleudern des Projectils nicht denselben Abend um zehn Uhr sechsundvierzig Minuten und vierzig Secunden zu Stande kam, so würden über achtzehn Jahre verfließen, ehe der Mond unter denselben gleichzeitigen Bedingungen von Zenith und Erdnähe sich darböte.
    Es war prächtiges Wetter; trotz der Annäherung des Winters bestrahlte die Sonne glänzend diese Erde, welche drei ihrer Bewohner um einer neuen Welt willen zu verlassen im Begriff waren. Wie viele verbrachten die Nacht vor dem so ungeduldig ersehnten Tag schlaflos! Wie manche Brust war von der schweren Last des Wartens beklommen! Alle Herzen schlugen voll Unruhe, außer Michel Ardan’s. Dieser Mann, den nichts aus seiner Gemüthsruhe brachte, ging in gewöhnlicher Geschäftlichkeit ab und zu, und man konnte nicht wahrnehmen, daß sein Geist ungewöhnlich in Anspruch genommen war. Er schlief so ruhig, wie Turenne vor der Schlacht auf einer Lafette.
    Seit dem frühen Morgen bedeckte eine unzählbare Menge die Wiesen, welche sich unabsehbar um Stone’s-Hill herum ausdehnen. Jede Viertelstunde brachte die Eisenbahn Neugierige von Tampa-Town her; diese Einwanderung stieg bald in’s Fabelhafte und nach Angabe des
Tampa-Town Observer
betraten im Laufe dieses denkwürdigen Tages fünf Millionen Zuschauer den Boden Florida’s.
    Seit einem Monat bivouakirte die Menge zum größten Theil in der Umgebung des Werkhofs und legte den Grund zu einer Stadt, die nachher Ardan’s-Town genannt wurde. Die Ebene war mit Baracken, Hütten, Zelten bedeckt, unter welchen eine so zahlreiche Bevölkerung sich aufhielt, daß sie den Neid der größten Städte erregte.
    Es waren da alle Völker der Erde vertreten, es wurden alle Sprachen der Welt gesprochen in einer Verwirrung, wie einst um den Thurm zu Babel. Es herrschte da unbedingte Gleichheit der amerikanischen Gesellschaftsklassen. Bankiers, Landbauern, Seeleute, Commissionäre, Mäkler, Baumwollpflanzer, Großhändler, Schiffsleute, Magistrate drängten und stießen sich da in angeborener Rücksichtslosigkeit. Die Kreolen Louisiana’s fraternisirten mit den Farmers Indiana’s; die Gentlemen aus Kentucky und Tennessee, die eleganten und stolzen Virginier, verkehrten mit den halbwilden Pelzjägern von den Seen und den Eierhändlern aus Cincinnati. Unterm weißen Castorhut oder klassischen Panama, in blauen Hosen aus den Fabriken Opelousas, eleganten Linnenblusen, mit bunten Stiefelchen legten sie übermäßige Jabot’s aus und behingen Hemden und Manschetten, Cravatten, ihre Ohren und alle zehn Finger mit einem Kleinodienlager von Nadeln, Brillanten, Ketten, Schnallen, Brelocken, die so theuer wie geschmacklos waren. Frauen, Kinder und Dienerschaft, ebenfalls reich geschmückt, begleiteten und umgaben die Männer und Väter, die in der Mitte zahlloser Familienglieder den Stammeshäuptlingen glichen.
    Zur Essenszeit hätte man sehen sollen, wie diese Menge Leute über die Lieblingsspeisen des Südens herstürzte, und mit einem Appetit, der Florida’s Vorräthen Gefahr drohte, die für einen europäischen Magen ekelhaften Gerichte verschlang, wie Frösche-Frikassee, gedämpftes Affenfleisch, Fisch-Allerlei, Beutelthierbraten, Waschbär-Rostbraten.
    Aber auch wie mancherlei Getränke oder Schnäpse kamen der Verdauung zu Hilfe! Und welch aufmunterndes Geschrei, einladendes Zurufen hallten in den Schenkbuden und Gaststuben voll Gläsern und Bechern, Flaschen und Karaffen von allen möglichen Formen, Mörsern zum Zuckerstampfen u. dgl.
    »Hier Münz-Julep!« rief’s schallend aus
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