Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Von den Sternen gekuesst

Von den Sternen gekuesst

Titel: Von den Sternen gekuesst
Autoren: Amy Plum
Vom Netzwerk:
vorübergehend, doch der Verlust seines Leichnams an ein Feuer war endgültig.
    Der Teil meines Herzens, der über die letzten neun Monate gewachsen war und allmählich Vincents Form angenommen hatte, war plötzlich leer. Die anderen Teile – die Liebe zu meinen Eltern, meiner Schwester, meinen Großeltern, meine Leidenschaft für Kunst, Bücher und Filme – standen etwas verhalten daneben, wollten den Platz meiner verlorenen Liebe nicht einnehmen. Wie sollte je wieder irgendetwas – oder irgendwer – diese Lücke schließen?
    Ich konnte nicht mehr weinen. Das spürte ich. Und während ich so dalag, fühlte ich, wie in der Leere eine glühende Entschlossenheit wuchs. Ich wollte dafür sorgen, dass das Einzige, was es von Vincent noch gab – seine wandernde Seele, wie Gaspard sie genannt hatte –, auch wirklich erhalten blieb.
    Vorsichtig setzte ich mich auf. Trotzdem schoss ein starker Schmerz durch meinen Brustkorb und ich zuckte zusammen. Er hatte zweierlei Ursachen: die Trauer um Vincent und meinen Schlüsselbeinbruch – doch beides ging auf Violettes Rechnung. Ich griff nach meinem Handy und sah, dass ich vor nicht mal einer halben Stunde eine SMS von Ambrose bekommen hatte. Gespannt las ich sie, doch der Inhalt war ernüchternd.
    Nur um dich auf dem Laufenden zu halten, es gibt nichts Neues. Jules ist noch immer beim Schloss und versucht, Vincent zu erreichen. Durchhalten, K-L!
    Als ich das Telefon schon weglegen wollte, sah ich, dass mitten in der Nacht jemand versucht hatte, mich zu erreichen, ohne eine Nachricht zu hinterlassen. Ich erkannte die Nummer, sie war von Bran.
    Wie von der Tarantel gestochen, sprang ich auf. Nervös trippelte ich auf den Zehenspitzen, während ich bei Bran anrief und sofort auf seiner Mailbox landete. »Bran, ich bin’s, Kate. Ich hab gerade gesehen, dass Sie letzte Nacht angerufen haben. Melden Sie sich doch bitte schnellstmöglich wieder.«
    Ich richtete die Bandage, mit der der Arzt meine Schulter verbunden hatte. Dann lief ich in die Küche, wo ich eine Nachricht von Mamie vorfand. Von dort ging ich ins Bad, um mir mit kaltem Wasser das Gesicht zu waschen. Ich beugte mich nah zum Spiegel und tastete vorsichtig die Schwellung unter meinen Augen ab. Mithilfe eines Abdeckstifts versuchte ich zu retten, was zu retten war. Ein paar Minuten später schlich ich in Georgias Zimmer. Kurz beobachtete ich sie, wie sie da ausgestreckt und schnarchend im Bett lag. Dann stupste ich sie vorsichtig an.
    »Georgia, aufstehen.«
    »Wa…? Geh weg«, murmelte sie, öffnete kurz ein Auge und zog sich dann das Kissen über den Kopf.
    »Es ist fast Mittag. Papy ist im Geschäft und Mamie unterwegs. Du musst mitkommen, ich muss was erledigen. Und wir müssen weg sein, bevor Mamie wieder da ist. Sonst wird sie wissen wollen, wohin wir gehen.«
    Georgia rührte sich nicht, obwohl ich sie weiter anstieß. Irgendwann setzte sie sich endlich auf und warf das Kissen auf den Boden. »Was soll der Mist? Du weißt doch, dass ich schwer verletzt bin.« Sie schloss die Augen und hob ihr Kinn an, damit ich ihr Gesicht in voller Pracht sehen konnte. Über Nacht hatten sich die blauen Flecken unter ihren Augen gesammelt und bildeten dort tiefschwarze und lilafarbene Halbmonde. Ihre Wange war dick geschwollen. Meine Schwester sah aus wie ein Boxer nach dem K.o. Oder wie ein überfahrener Waschbär.
    Ihr ramponiertes Aussehen versetzte mir einen Stich, doch ich wusste, dass ihre Verletzungen nur oberflächlich waren. Und es gab einfach Dringlicheres. »Georgia, du musst mit mir zu Bran fahren. Vielleicht hat der ja eine Erklärung für das, was gerade mit Vincent passiert.«
    Ihre Lider zuckten, doch ihre Augen öffneten sich nicht, weil sie völlig verklebt waren. »Ich bin blind«, klagte sie. Ich zog eins der Feuchttücher aus der Packung auf ihrer Kommode und gab es ihr. Sie rieb sich damit die Augen, bevor sie mich anblinzelte. Als Georgia meinen ernsten Gesichtsausdruck sah, war sie schlagartig munter. »Entschuldige, Kate, vergiss meine Zipperlein. Worum geht’s?«
    »Ich hab dir doch von diesen ganz speziellen guérisseurs erzählt, diesen Heilern, die sich auch mit Revenants befassen. Du musst mit nach Saint-Ouen kommen, da praktiziert einer von ihnen.«
    Sie massierte ihren Nasenrücken, um schneller wach zu werden. »Aber wir müssen doch in die Schule.«
    »Erstens ist es eh schon nach zwölf und zweitens hat Mamie uns doch für heute krankgemeldet, hat sie doch gestern gesagt.«
    »Stimmt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher