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Von den Sternen gekuesst

Von den Sternen gekuesst

Titel: Von den Sternen gekuesst
Autoren: Amy Plum
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rumzusitzen und abzuwarten. Deshalb schwöre ich dir, Jules und ich werden dich auf dem Laufenden halten.« Er lächelte. »Mensch, ich hab deinen Blick gesehen, als JB gesagt hat, wir sollen dich nach Hause bringen. Aber ich bin da voll und ganz seiner Meinung. Im Moment kannst du nichts Besseres tun, als zu schlafen, damit du für den morgigen Tag gewappnet bist.«
    Seine Worte wirkten wie ein Zauber auf meine überspannten Nerven. Mit einem Mal verwandelte sich meine Sorge in eine so überwältigende Erschöpfung, dass ich mich am liebsten direkt auf den Stufen zusammengerollt hätte und dort sicher auch sofort eingeschlafen wäre. Ambrose entging das natürlich nicht, sein Gesicht spiegelte Mitgefühl. »Das war ein langer Tag«, sagte er. Nach guter alter amerikanischer Sitte umarmte er mich – vorsichtig, wegen meiner verletzten Schulter, aber dennoch fest. Und ich war so unendlich dankbar dafür. Manchmal reichten diese französischen Wangenküsschen einfach nicht.
    Ambrose ließ mich los, räusperte sich laut und rieb sich die Hände, als könnte er so unser Leid verschwinden lassen. »Also gut, kleine Schwester«, sagte er. »Wir melden uns morgen früh.« Und weg war er.
    Erschöpft stolperte ich die vielen Stufen hinauf, während sich in meinem Kopf die unterschiedlichsten Szenarien jagten, was gerade im Schloss an der Loire vor sich gehen könnte. Mein Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen, als ich mir vorstellte – und dann versuchte, diesen Gedanken wieder abzuschütteln –, dass Vincents Geist nun an eine frisch verstümmelte Violette gebunden war. Davon wurde mir ganz schlecht.
    Ich musste etwas tun. Sofort fiel mir wieder Bran ein. Als guérisseur der Revenants war er vielleicht der Einzige, der mehr über die geheimen Riten der Bardia wusste als sie selbst. Möglich, dass er ja sogar helfen konnte. Ich werde ihn morgen früh gleich noch einmal anrufen , dachte ich, als ich die Wohnungstür öffnete.
    Mir war nicht bewusst, dass ich bereits erwartet wurde. Meine Schwester und meine Großmutter saßen im Wohnzimmer. Georgia, die sich auf einem der Sofas ausgestreckt hatte, wachte mit einem lauten Schnarchen auf und Mamie sprang sofort aus dem Sessel. Sie warf einen Blick in mein Gesicht und sagte dann: »Okay, meine Lieben. Würdet ihr mir bitte erklären, was hier vor sich geht? Georgia will angeblich von einem Fremden verprügelt worden sein und dann kommt Katya mitten in der Woche um zwei Uhr nachts mit roten, verquollenen Augen nach Hause.«
    Georgia ignorierte Mamie und kam blitzschnell zu mir, um mich bei den Händen zu fassen. Ein scheußlicher Regenbogen aus Gelb-, Rot- und Lilatönen zierte ihr Gesicht, die Wange war extrem angeschwollen. »Haben sie ihn noch rechtzeitig gefunden?«, flüsterte sie.
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein.« Und alle Gefühle, die ich unterdrückt hatte, seit Vincents Stimme so abrupt verschwunden war – die Verzweiflung, die ich nun seit zwei Stunden verdrängte, damit ich überhaupt funktionieren, also sprechen, laufen, denken konnte –, brachen aus mir heraus. »Oh Gott, Georgia.« Sie nahm mich in die Arme und ich verschluckte mich fast an den vielen Tränen. »Er ist fort, jetzt ist er wirklich fort.« Ich legte den Kopf auf ihre Schulter und weinte.
    »Gehen wir«, sagte Mamie sanft und scheuchte uns durch den Flur zu meinem Zimmer. Noch immer weinend, zog ich mein Schlafzeug an. Und als Mamie und Georgia sich rechts und links von mir aufs Bett setzten, kam es mir vor, als wären wir in der Zeit zurückgereist, und zwar genau bis zum Sommer, als ich beschlossen hatte, Vincent nie wiederzusehen. Ich schluchzend, meine Großmutter und Schwester tröstend neben mir. Dabei ging es mir jetzt millionenfach schlimmer. Beim letzten Mal war es eine Trennung gewesen, herzzerreißend zwar, jedoch hatte sie sich wieder aufheben lassen. Diesmal war es ein Abschied. Und zwar für immer.
    Ich sackte in mich zusammen und schluchzte, während die beiden mir beruhigend über Rücken und Kopf streichelten. Als der Tränenstrom allmählich versiegte, fragte Mamie: »Sagst du mir jetzt, was passiert ist?«
    »Was hast du ihr bisher erzählt?«, fragte ich Georgia, die vorsichtig an ihrem verletzten Kiefer herumdrückte.
    »Nur, dass etwas Schlimmes passiert ist und wir dich sicher trösten müssen, wenn du nach Hause kommst«, antwortete sie mit einem vorsichtigen Seitenblick zu Mamie.
    »Was ist passiert?«, beharrte diese. »Du benimmst dich so, als wäre jemand
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