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Von den Sternen gekuesst

Von den Sternen gekuesst

Titel: Von den Sternen gekuesst
Autoren: Amy Plum
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Teppichmesser in der Hand hielt. Sie fuhr die Klinge aus und gab es mir.
    Bereits nach wenigen Minuten stand Bran auf wackligen Beinen, hüpfte und schleuderte seine dünnen Arme, um den Kreislauf wieder in Gang zu bringen. »Meine Brille«, krächzte er. »Sie ist runtergefallen.«
    Die Brille lag unweit des Stuhls, war aber verbogen und die dicken Gläser hatten Sprünge. Ich tat mein Bestes, sie wieder in ihre alte Form zu bringen, und reichte sie ihm. Obwohl eines seiner Augen nicht mehr als ein Schlitz war, verwandelte die Brille das verprügelte Häufchen Elend sogleich in den alten, leicht eigenartigen Bran. Er machte einen Schritt auf mich zu, ließ sich dann aber doch wieder auf den Stuhl plumpsen.
    Schon war ich an seiner Seite. »Können Sie laufen?«
    »Die haben mich schlimm zugerichtet«, antwortete er. »Ich fürchte, ihr müsst mich stützen.«
    »Wir bringen Sie nach La Maison«, sagte ich, legte mir seinen Arm um die Schulter und zog ihn so auf die Beine. Georgia hielt uns die Tür auf und wir eierten etwas unbeholfen zu ihr. »Da sind sie wenigstens sicher, zumindest …«, setzte ich an. Doch bevor ich den Satz überhaupt zu Ende denken konnte, hörten wir, wie sich die Ladentür öffnete und schloss, danach ließen Schritte den Holzboden knarren.
    »Erwarten Sie Kundschaft?«, quietschte Georgia, die Augen groß wie Untertassen.
    »Schnell, da rüber!«, flüsterte Bran mit Nachdruck. Er wies durch den Raum, wo eine kindsgroße Tür am unteren Ende einer geradlinigen Treppe aus alten Steinen zu sehen war. Wie der Blitz nahm Georgia Brans freien Arm und zusammen schleiften wir ihn so schnell es ging dorthin. Er fischte einen Schlüssel aus einer Nische in der Wand und steckte ihn in das alte Schloss.
    Von oben ertönte eine Stimme, die ich sofort wiedererkannte. Es war die Stimme eines jungen Mädchens. »Wo ist er?«, forderte Violette. Mit einem Krachen flog die Tür zur Treppe auf und Schritte donnerten auf den Stufen.
    »Machen Sie um Himmels willen endlich diese verflixte Tür auf!«, zischte Georgia, während Bran mit dem Schlüssel im Schloss ruckelte. Endlich sprang die Tür nach außen auf und wir drei quetschten uns durch den niedrigen Rahmen in den angrenzenden dunklen, höhlenartigen Raum. Bevor Bran die Tür wieder schloss, konnte ich im Kellerlicht gerade noch erkennen, dass sich so etwas wie ein Fluss neben uns befand. Ein widerlicher saurer Gestank und das Rauschen von fließendem Wasser umfingen uns.
    »Nimm die Stange da und sichere die Tür damit«, sagte Bran zu mir und verlagerte sein ganzes Gewicht auf Georgia, die kurz ein bisschen schwankte, doch dann wieder fest stand. Durch die Ritze zwischen Tür und Rahmen fiel genug Licht, sodass ich einen schweren Eisenbalken erkennen konnte, der über dem Türsturz hing. Ich schnappte ihn mir und wuchtete ihn in die Halterungen, die sich rechts und links des Türrahmens befanden.
    »Hier entlang!«, sagte Bran und schon steuerte Georgia mit ihm in die Dunkelheit. Überraschte und wütende Schreie drangen durch die Tür.
    Dann hörte ich eine Stimme in meinem Kopf – die Stimme, auf die ich sehnsüchtig gewartet hatte, seit sie mich an der Seine zurückgelassen hatte. Lauf, Kate!
    Vincent war hier! Er hatte überlebt – wenigstens sein Geist hatte überlebt. Erleichterung traf mich wie ein Tsunami, mir wurde schwindelig und für einen Moment verlor ich die Orientierung. »Vincent!«, flüsterte ich.
    Ich bin an Violette gebunden und sie steht nur wenige Schritte von dir entfernt, auf der anderen Seite dieser Tür. Noch wissen sie nicht, wohin Bran verschwunden ist, aber du gehst besser, ehe sie es herausfinden und die Tür einschlagen.
    Seine Warnung ignorierend fragte ich leise: »Geht’s dir gut?« Mein Mund war so trocken, dass ich kaum sprechen konnte.
    Das Ritual hat nicht funktioniert, deshalb hat Violette die Bindung noch nicht aufgehoben. Sie will von Bran wissen, was sie falsch gemacht hat. Und jetzt, Kate … geh.
    »Sag mir erst, wie wir dir helfen können …«
    Los!
    »Kate, komm schon!«, drängelte Georgia, sie war bereits ein paar Meter entfernt. »Wieso stehst du da rum?« Es kostete mich all meine Kraft, mich von der Tür – und der Nähe zu Vincents Geist – abzuwenden. Doch es gelang mir und so sprintete ich los, um Bran und meine Schwester einzuholen.
    »Ich kann überhaupt nichts sehen«, sagte ich nach ein paar Sekunden.
    »Ich auch nicht«, antwortete Georgia. »Hier, übernimm du ihn mal.« Ich schob
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