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Vom Zauber der Rauhnächte - Weissagungen, Rituale und Bräuche für die Zeit zwischen den Jahren

Vom Zauber der Rauhnächte - Weissagungen, Rituale und Bräuche für die Zeit zwischen den Jahren

Titel: Vom Zauber der Rauhnächte - Weissagungen, Rituale und Bräuche für die Zeit zwischen den Jahren
Autoren: Irisiana Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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hervor, und es erblühten Wiesen voller Schneeglöckchen.
    Das Mädchen wusste sich vor Staunen gar nicht zu fassen.
    »Pflück deine Blumen, du hast nur diese eine Stunde.«

    Während es sammelte, beratschlagten die Brüder. Der Älteste
sprach: »Nur selten findet ein Mensch den Weg zu uns. Nun ist sie gekommen. Das ganze Jahr über sehen wir, wie fleißig sie ist und wie gut zu Mensch und Tier.«
    Als es zurückkehrte, bedankte es sich herzlich für die Blumen. Bruder April hielt ihr einen Ring hin: »Wann immer du Hilfe brauchst, wirf diesen Ring auf die Erde – und wir werden zu dir eilen, alle zwölf. Du musst nur diesen Spruch dazu aufsagen:
    Kullre, kullre, Ringlein mein,
auf des Frühlings Stufen drein,
in des Sommers Flur hinein,
in des Herbstes Kämmerlein,
auf des Winters Teppich dann
komm ans Neujahrsfeuer ran!«
    Zum Abschied sprach der Dezember: »Heute in dieser Neujahrsnacht hast du uns alle auf einmal gesehen. Alle anderen Menschen brauchen Tage und Wochen, bis sie den April sehen, den August – und so ist es auch richtig. Verrate niemandem, wie du hierhergefunden hast.«
    Das Mädchen versprach es. Reich beschenkt und dankbar kehrte es nach Hause zurück. Die Stiefmutter staunte erfreut über die Schneeglöckchen und eilte mit ihrer leiblichen Tochter zum Hof, um sich die Belohnung abzuholen. Dort prahlten sie, wie tapfer sie sich in den Winterwald hinausgewagt hätten. Und es kam, wie es kommen musste: Die Königin verlangte, selbst zu dem Ort gebracht zu werden, an dem die Blümchen wachsen. Da konnte die Alte nur stammeln und stottern.
    Schließlich versuchte sie, ihrer Stieftochter zu entlocken, wo sie die Schneeglöckchen gefunden hatte. Die aber schwieg. Und so schickte sie das Mädchen erneut in den Wald, die andere Tochter aber sollte ihr heimlich nachgehen und den Weg markieren. Die Königin folgte mit der Kutsche, mit Soldaten und dem Professor.

    Wieder also lief das Mädchen durch den eisigen Wald. Es kannte sich hier so gut aus, dass es sofort bemerkte, dass etwas nicht stimmte. Und da ertappte es auch schon die Stiefschwester, die ungeschickt hinter einem Baum hervorlugte. Doch was half es? Die Kutsche war längst unterwegs, und bald hatte sie die beiden eingeholt.
    Die Königin stieg aus und ging auf das Mädchen zu: »Du bist das also, die die Schneeglöckchen gefunden hat. Dann zeig mir jetzt, wo sie wachsen. Ich werde dich auch reich belohnen.« Und sie legte dem frierenden Kind, etwa gleich alt wie sie selbst, einen Mantel um.
    »Es tut mir leid, aber ich kann dieser Bitte nicht nachkommen.«
    »Bitte? Ich bin die Königin, ich bitte nicht, ich befehle. Und ich befehle dir, mir die Blumenwiese zu zeigen!«
    »Nein, das kann ich nicht. Ich darf es nicht.«
    »Wie wagst du es, mit mir zu sprechen! Nehmt ihr den Mantel wieder ab, und gleich auch noch die Handschuhe!«
    Als ein Soldat ihr die Handschuhe wegriss, kam glitzernd und funkelnd der Ring zum Vorschein. Die Königin nahm ihn sofort an sich. »So einen schönen Ring habe nicht einmal ich in meinem Schatz.«
    »Bitte gebt ihn mir zurück, er ist alles, was ich habe.«
    »Zeig mir die Blumen! Oder ich werfe diesen Ring weit fort, sodass du ihn nie wieder findest.«
    »Nein, bitte, ich darf es nicht sagen …«
    Und schon flog der Ring im hohen Bogen über die verschneite Landschaft. In seiner Not rief das Mädchen den Spruch:
    »Kullre, kullre, Ringlein mein,
auf des Frühlings Stufen drein,
in des Sommers Flur hinein,
in des Herbstes Kämmerlein,
auf des Winters Teppich dann
komm ans Neujahrsfeuer ran!«
    Da erhob sich ein mächtiges Brausen, der Schneesturm wuchs zum Orkan, die Menschen wirbelten in die Luft, und die zwölf Brüder trugen das Mädchen mit sich fort. Die anderen aber erlebten plötzlich, wie die Kälte nachließ, wie der Frühling kam, Minuten später schon dem Sommer wich, bis es so heiß wurde, dass sie die Pelze von sich warfen. Gleich darauf kam der Herbst mit seinen Stürmen und trug die Mäntel weit fort, ja sogar die Kutsche. Die Soldaten machten sich feige mit den Pferden auf und davon. Und ehe es sich die Königin, der Professor und die Stiefmutter mit ihrer Tochter versahen, war es wieder Winter, und sie froren jämmerlich.
    Da trat Bruder Januar auf sie zu, und die Königin versprach ihm reichen Lohn, wenn er sie nach Hause bringen würde.
    »Ich brauche dein Geld nicht, ich bin viel reicher als du. Alles Glitzern hier ringsum gehört mir. Aber jeder von euch darf sich zum Neujahr etwas
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